Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Notwendigkeit des Erlasses eines Aufhebungsbescheides. Meldeversäumnis. unzulässiger Meldezweck. Besuch einer Arbeitgebermesse von Verleihunternehmen. Feststellender Verwaltungsakt. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Minderung des Auszahlungsanspruchs von Arbeitslosengeld II als eine der Rechtsfolgen von Sanktionen stellt im laufenden Bewilligungszeitraum im Vergleich zum davor bewilligten Grundanspruch (Stammrecht) eine wesentliche Änderung dar, die auch nach dem 1.4.2011 einer Aufhebung nach § 48 SGB 10 bedarf.
2. Der Besuch einer Messe von Verleihunternehmen (Arbeitgebertag) gehört nicht zu den zulässigen Meldezwecken nach § 309 Abs 2 SGB 3 und folglich nicht zu den Verpflichtungen nach § 32 SGB 2 (Sanktion wegen Meldeversäumnisses).
Normenkette
SGB II §§ 31, 31b, 32, 59; SGB III § 309 Abs. 2; SGB X § 48; SGG § 73a; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. August 2013 aufgehoben. Dem Kläger wird zwecks Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E., F., bewilligt.
Raten sind nicht zu zahlen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) in einem Klageverfahren, in dem eine dreimonatige Sanktion wegen Meldeversäumnisses gemäß § 32 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig ist.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 15. März 2012 für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 31. Juli 2012 Arbeitslosengeld II in Höhe von 601,13 € monatlich sowie mit Änderungsbescheid vom 25. Juli 2012 vom 1. August bis zum 31. August 2012 in Höhe von 609,13 €. Mit Schreiben vom 9. Mai 2012, welches die Überschrift “Arbeitgebertag-Vorstellungsgespräch Firma H. GmbH„ trägt, wurde der Kläger gebeten, am 15. Mai 2012 im Jobcenter F. zu erscheinen und seine vollständigen Bewerbungsunterlagen mitzubringen. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass es sich um eine Einladung nach § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) handele, und ferner das sein Nichterscheinen eine Absenkung der Regelleistung um 10 % für die Dauer von drei Monaten zur Folge hätte. Der Kläger erschien zu diesem Meldetermin nicht. Im Anhörungsverfahren zum möglichen Eintritt einer Sanktion teilte der Kläger mit, dass er zunächst die Einladung verlegt und den genauen Zeitpunkt nicht mehr gewusst habe. Auf Nachfrage am Vortage sei ihm mitgeteilt worden, dass am 15. Mai 2012 eine Veranstaltung stattfinde, bei der Verleih-Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen anwesend sein würden, denen man persönlich eine Bewerbung aushändigen könne. Wegen seiner bisherigen schlechten Erfahrungen mit Zeitarbeitsfirmen, die er als moderne Sklaverei betrachte, habe er sich entschlossen, der Veranstaltung fernzubleiben.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 teilte der Beklagte mit, dass in der Zeit vom 1. Juni 2012 bis zum 31. August 2012 in Folge des Meldeversäumnisses vom 15. Mai 2012 ohne wichtigen Grund eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 10 %, also in Höhe von 37,40 € monatlich festgestellt werde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. August 2012 als unbegründet zurück. Mit der am 17. September 2012 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, durch die Verlegung des Einladungsschreibens vom 9. Mai 2012 habe er nicht gewusst, dass er zur Teilnahme an der Veranstaltung am 15. Mai 2012 verpflichtet gewesen sei.
Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat das Sozialgericht (SG) Braunschweig mit Beschluss vom 9. August 2013 abgelehnt, weil die Minderung von Arbeitslosengeld II um 10 % für drei Monate rechtmäßig sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 21. August 2013. Er trägt vor, dass seine Aufforderung zur Teilnahme an einer Arbeitgebermesse von örtlichen Zeitarbeitsfirmen nicht sanktionierungsfähig sei. Jedenfalls sei ein Hinweis auf eine Teilnahmeverpflichtung bei dem geführten Telefongespräch nicht erfolgt, obwohl dem Mitarbeiter des Beklagten bekannt gewesen sei, dass der Kläger nicht mehr über die förmliche Einladung nebst Rechtsfolgenbelehrung verfügt habe.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der bis zum 24. Oktober 2013 gültigen Fassung). Bis zu diesem Tage kam es für den Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nicht darauf an, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Denn § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf zivilprozessuale Besonderheiten zugeschnitten und konnte im Sozialgesetzverfahren im Hinblick auf die abschließende Aufzählung der Ausschlussgründe in § 172 Abs. 3 SGG a.F. nicht entsprechend angewendet werden (Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a., SGG-Kommentar, 10. Aufl., § 172 Rdnr 6i). Aus diesem Grunde hat sich der Gesetzgeber veranlasst, mit Wirkung vom 25. Oktober 2013 § 172 Abs. 3 Nr. 3...