Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. fehlende Glaubhaftmachung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Grenzen der Aufklärungspflicht des Gerichts. Verbrauch von Vermögen. Darlegungs- und Beweislast des Antragstellers

 

Orientierungssatz

1. Eine Prüfung der Hilfebedürftigkeit setzt voraus, dass die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen bekannt sind. Insoweit obliegt es zunächst dem Betroffenen, sämtliche hierfür erforderlichen Tatsachen anzugeben, entsprechende Beweismittel zu bezeichnen sowie sämtliche Beweisurkunden vorzulegen bzw ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 SGB 1).

2. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungsobliegenheit auch im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nach, sind die Gerichte trotz des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 Abs 1 S 1 SGG) nur eingeschränkt verpflichtet, weiter zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für Umstände, die in der Sphäre des Betroffenen liegen.

3. Soweit ein SGB 2-Leistungsbezieher geltend macht, dass ihm ein einmal zugeflossener Vermögenswert nicht mehr zur Verfügung steht, trägt er hierfür die Vortrags- und Beweislast.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 7. November 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner zur Gewährung von vorläufigen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu verpflichten.

Der 1957 geborene Antragsteller beantragte erstmals im August 2013 SGB II-Leistungen. Er war damals Eigentümer des - nach wie vor von ihm bewohnten - Einfamilienhauses in der F. Straße 5 in G. (Baujahr 1960/61, 120 qm Wohnfläche zuzüglich 70 qm Keller; 1.006 qm Grundstücksfläche; Wert laut Auskunft aus der Kaufpreissammlung: 103.000,00 Euro). Der Antragsgegner verneinte u.a. wegen dieses als Vermögen anzurechnenden Einfamilienhauses eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers und lehnte den Erstantrag bestandskräftig ab (Bescheid vom 15. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2013). In der Folgezeit verkaufte der Antragsteller sein Haus für 45.500,00 Euro an Dr. H. I., der dem Antragsteller in der Zeit vom 19. Dezember 2013 bis 14. Februar 2014 drei Kaufpreisraten in Höhe von 5.500,00, 2.000,00 und 28.520,20 Euro überwies. In § 5 des notariellen Kaufvertrags wurde dem Antragsteller ein lebenslängliches Wohnungsrecht an der in der ersten Etage gelegenen Zweizimmerwohnung eingeräumt. Hierfür wurde ein Mietzins in Höhe des “jeweils für J. nach Hartz IV festgesetzten Betrags sowohl für Miete als auch für Nebenkosten„ vereinbart.

Am 25. März 2014 beantragte der Antragsteller erneut die Gewährung von SGB II-Leistungen. Er gab an, weiterhin in seinem Unternehmen K. (Verkauf von Tennisartikeln und Besaiten von Tennisschlägern) selbständig tätig zu sein, allerdings keinen Gewinn zu erzielen. Derzeit (9. April 2014) besitze er “nur noch knapp 9.000,00 Euro„. Aus dem Erlös des Hausverkaufs habe er sich ein Auto gekauft (7.050,00 Euro), sein Girokonto bei der Volksbank L. ausgeglichen (1.600,00 Euro), Schulden an vier auch auf Rückfrage des Antragsgegners namentlich nicht benannte Personen zurückgezahlt (5.000,00 Euro), Kosten eines Urlaubsaufenthalts auf den P. bestritten (6 Wochen - 8.000,00 Euro), eine Steuernachzahlung für 2012 geleistet (592,00 Euro) sowie seine Mobilfunkrechnungen (900,00 Euro) und die Krankenversicherung seiner auf den P. lebenden damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau, Frau M., bezahlt (179,00 Euro). Außerdem habe er als Sicherheit für die geplante Einreise von Frau M. ein Sparbuch mit ca. 3.000,00 Euro bei der Ausländerbehörde hinterlegt.

Der Antragsgegner lehnte auch diesen erneuten Leistungsantrag mit der Begründung ab, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Er verfüge über ein Vermögen von insgesamt 29.608,63 Euro. Dieser Betrag ergebe sich zunächst aus den Salden seiner Konten und Geldanlagen. Zusätzlich werde ein Betrag von 8.000,00 Euro berücksichtigt, weil dessen Verwendung für Urlaubszwecke nicht nachgewiesen worden sei. Ein weiterer Vermögenswert von 5.000,00 Euro sei zu berücksichtigen, weil die behauptete Rückzahlung von Schulden an vier namentlich nicht genannte Personen nicht nachgewiesen sei. Darüber hinaus stelle das nach wie vor nicht zugelassene und dementsprechend gar nicht genutzte Kraftfahrzeug verwertbares Vermögen dar. Das vorhandene Vermögen überschreite den Freibetrag von 9.150,00 Euro bei weitem (Bescheid vom 24. Juli 2014).

Gegen diesen Bescheid legten die damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers Widerspruch ein, welcher vom Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2014 zurückgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom 9. September 2014 beantragte die derzeitige Prozessbevollmächtigte des Antr...

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