Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Kraftfahrzeug. Verkehrswert. keine Überschreitung des Betrages der Angemessenheitsgrenze plus Vermögensgrundfreibetrag
Orientierungssatz
Ein zum Kaufpreis von 21.000 Euro erworbenes gebrauchtes Kraftfahrzeug, welches im Nutzungszeitraum von fünf Jahren weitere 70.000 km gefahren wurde und dessen Verkehrswert unter Berücksichtigung des dadurch eingetretenen Wertverlustes den Betrag nicht übersteigt, den ein angemessenes Kraftfahrzeug (7.500 Euro) haben darf zuzüglich des nicht ausgeschöpften Grundfreibetrags nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 (hier 9.300 Euro), ist nicht als Vermögen nach § 12 Abs 1 SGB 2 zu berücksichtigen.
Tenor
Der die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnende Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. Februar 2019 wird geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens (Klageverfahren S 22 AS 167/10 - SG Osnabrück sowie Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 16. April 2019) für den Monat Dezember 2018 273,00 Euro und für die Monate Januar bis Juli 2019 650,00 Euro pro Monat zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der 1961 geborene Antragsteller bezog in der Vergangenheit vom Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Er betreibt als freischaffender Künstler das Atelier für Auftragskunst “F.„ und bezieht nach seinen Angaben eine Opferrente iHv 300,00 Euro monatlich (lt. Kontoauszügen nach § 17a StrRehaG; im “Ergänzungsbogen E 3 - Einkommen„ vom 5. November 2018 sowie auf Seite 2 der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe wurde diese Rente dagegen nicht angegeben).
Im Juni 2014 kaufte der Antragsteller einen Pick Up Truck der Marke Ford (USA) Modell F 150 Basic. Das Kfz weist einen Hubraum von 4.605 cm³ und eine Leistung von 218 kW auf (Modelljahr 2010; damaliger km-Stand: 49.500 km). Es handelt sich um ein zunächst in den USA zugelassenes Fahrzeug, welches anschließend von dem Kfz-Handelsunternehmen “G. Motors„ nach Deutschland importiert und für die Zulassung in Deutschland umgebaut worden war. Der Kaufpreis betrug laut Kaufvertrag 21.000,00 Euro. In diesem Zusammenhang legte der Antragsteller zudem eine von ihm unter dem 26. Juni 2014 erstellte schriftliche Erklärung vor, wonach er von seinen Eltern einen Bargeldbetrag iHv 20.000,00 Euro zum Kauf des Kfz erhalten habe, um “weiterhin mobil meiner beruflichen Tätigkeit nachgehen„ zu können. Für die Dauer von 10 Jahren bleibe der Fahrzeugbrief im Besitz der Eltern.
In der Folgezeit wertete der Antragsgegner den Pick Up Truck als verwertbares Vermögen iSd SGB II und lehnte für die Zeit vom 1. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2018 die Gewährung von SGB II-Leistungen ab. Diesbezüglich führen die Beteiligten vor dem SG Osnabrück erstinstanzliche Klageverfahren (ua unter dem Aktenzeichen S 22 AS 348/18; vgl. zu dem vom Antragsteller im Jahre 2017 gestellten und erfolglos gebliebenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung: Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 21. April 2017 - S 22 AS 89/17 ER - und des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 26. Juni 2017 - L 9 AS 407/17 B ER -).
Am 26. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller erneut beim Antragsgegner die Gewährung von SGB II-Leistungen. In seinem Antrag gab er an, im März 2018 bei Herrn H. ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgenommen und als Sicherheit den Kfz-Brief des Pick Up Trucks an den Darlehensgeber übergeben zu haben (ursprünglicher Darlehensbetrag: 2.000,00 Euro; derzeitiger Schuldenstand: 800,00 Euro; vgl. im Einzelnen: Darlehensvertrag vom 4. März 2018). Sein Barvermögen betrage lediglich noch 64,25 Euro. Über weiteres Bargeld oder weitere Bankkonten verfüge er nicht. Das Eigentum an dem Kfz stehe einer Leistungsgewährung nicht entgegen, weil das Kfz bereits im September 2017 nur noch 12.500,00 Euro wert gewesen sei (vgl. hierzu das vom Antragsteller in Auftrag gegebene Gutachten der Kfz-Prüfstelle I. vom 12. September 2017).
Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag erneut wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Das vorhandene Vermögen übersteige den Vermögensfreibetrag. Das Kfz des Antragstellers sei von einem örtlich ansässigen Kfz-Händler bei einem Km-Stand von ca. 89.106 km mit einem Wert bei Inzahlungnahme iHv 20.000,00 Euro bewertet worden. Bei einem Privatverkauf sei von einem noch höheren Verkehrswert auszugehen. Die Wertermittlung der Kfz-Prüfstelle sei als viel zu gering anzusehen. Aktuelle Angebote auf der Internet-Plattform www.mobile.de würden für Fahrzeuge desselben...