Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Vermögenseinsatz. kostenloser Rechtsschutz durch Gewerkschaft
Leitsatz (amtlich)
Zum Vermögen eines Antragstellers zählt ein satzungsmäßiger Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband (Anschluss an BSG vom 12.3.1996 - 9 RV 24/95 = SozR 3-1500 § 73a Nr 4). Deshalb ist eine durch die Kündigung der Mitgliedschaft insoweit herbeigeführte Vermögenslosigkeit bei der Prüfung von PKH dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Prozessvertretung durch eine Gewerkschaft oder einen Verband berechtigte sachliche oder persönliche Gründe nicht entgegenstehen und die Umstände des Einzelfalls darauf hinweisen, dass die Kündigung ausgesprochen wurde, um PKH zu erlangen.
Gründe
Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen des vom Sozialgericht (SG) Lüneburg festgestellten Arbeitsunfalls vom 30. Mai 2000. Den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) lehnte das SG ab, weil der Kläger durch einen Bevollmächtigten einer selbstständigen Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung vertreten war (§ 73a Abs 2 iVm § 73 Abs 6 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 10. März 2004 blieb erfolglos (Beschluss des erkennenden Senats vom 10. Mai 2004).
Den im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von PKH hat der Kläger mit der im August 2004 ausgesprochenen Kündigung der Mitgliedschaft im Sozialverband Deutschland (SoVD) “zum nächstmöglichen Termin" begründet und sein Schreiben an diesen Verband vom 18. August 2004 vorgelegt, in dem er eine unzureichende Prozessvertretung rügte. Der Senat hat ihn mit der Verfügung des Berichterstatters vom 23. September 2004 darauf hingewiesen, dass der Bewilligung von PKH schon die Möglichkeit der Vertretung durch den SoVD entgegenstehe. Daran ändere auch die mit Schreiben vom 18. August 2004 ausgesprochene Kündigung “zum nächstmöglichen Termin" nichts.
PKH ist schon deshalb nicht zu bewilligen, weil der Kläger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage (gewesen) ist, die Kosten der Prozessführung aus seinem Vermögen aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 f Zivilprozessordnung - ZPO). Der Senat teilt die in höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, dass zum Vermögen eines Antragstellers ein satzungsmäßiger Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband gehört (BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 4). Deshalb kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Antragsteller von dem Anspruch Gebrauch macht, also tatsächlich einen Verbandsvertreter bevollmächtigt (so aber Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002 Rn 4). Denn § 73a Abs 2 SGG ist nur als klarstellendes Verbot zu verstehen. Entscheidend ist die Zuordnung des Anspruchs auf kostenlose Prozessvertretung zu vermögenswerten Rechten, die Beteiligte nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 Abs 2 Satz 1 ZPO vor der Bewilligung von PKH einzusetzen haben (BSG aaO, S 6; s auch Knittel in Hennig, SGG, § 73a Rn 38 und Littmann in Hk-SGG § 73a Rn 5). Die Kündigung der Mitgliedschaft im SoVD hat im vorliegenden Fall deshalb außer Betracht zu bleiben. Zwar ist die Kündigung der Mitgliedschaft in einer selbstständigen Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung im Rahmen der Prüfung von PKH nicht von vornherein unbeachtlich. Denn eine solche Mitgliedschaft reduziert sich nicht auf die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wie bei einer Rechtsschutzversicherung, so dass einer Kündigung vielfältige und von einem konkreten Rechtsstreit unterschiedliche Motive zugrunde liegen können. Eine Kündigung ist im Rahmen der Prüfung von PKH jedoch dann nicht zu berücksichtigen, wenn berechtigte sachliche oder persönliche Gründe nicht zu erkennen sind, die es einem Antragsteller unzumutbar machen, sich von einem Verband oder einer Gewerkschaft vertreten zu lassen und wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls darauf hinweisen, dass sich ein Antragsteller insoweit gezielt unvermögend gemacht hat, um PKH zu erlangen. Denn PKH ist eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet gerichtlichen Rechtsschutzes, so dass ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 Sozialgesetzbuch XII) und PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 ZPO) gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet ist, die dem Justizfiskus durch PKH entstehenden Ausgaben gering zu halten. Er darf sich deshalb nicht gezielt unvermögend machen (BGH VersR 1984, 77/79; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl 2005, § 115 Rn 73; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl 2005, § 115 Rn 72). Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kündigung des Klägers aber diese Absicht zugrundegelegen hat.
Denn die von dem Kläger im Schreiben vom 18. August 2004 genannten Gründe über eine Enttäuschung der Prozessvertretung durch die Bevollmächtigten des Kreisverbandes Lüneburg des SoVD sind ni...