Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Neuregelung der Berücksichtigung von Stiefelterneinkommen. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Stiefelterneinkommen ist nach der Neuregelung in § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 nur nach den Maßstäben von § 9 Abs 5 SGB 2 auf den Bedarf der Stiefkinder anzurechnen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 26.Februar 2007 wird geändert.
Die Beschwerdegegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Anspruch der Beschwerdeführer auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGBII unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates unter dem Vorbehalt des Ausgangs der Hauptsache vorläufig neu zu berechnen und sich ergebende höhere Leistungen an die Beschwerdeführer auszuzahlen.
Die Beschwerdegegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruchs der Beschwerdeführer auf existenzsichernde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. sind die 1989 und 1991 geborenen Söhne der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zu 2.. Sie entstammen der ersten Ehe ihrer Mutter. Sie lebten bis März 2007 mit ihrer Mutter und dem zweiten Ehemann der Mutter zusammen.
Die Beschwerdeführer leben in einer Wohnung in der F. in G.. Die Wohnfläche der Wohnung beträgt 115 qm. Für die Wohnung ist eine monatliche Grundnutzungsgebühr von 520,00 Euro zu entrichten. Hierzu treten Vorauszahlungen für die Betriebskosten in Höhe von 115,00 Euro sowie für Kaltwasser und Entwässerung in Höhe von 60,00 Euro sowie eine Vorauszahlung für Heizung in Höhe von 95,00 Euro. Die Beschwerdeführer bezogen bis zum 31. Januar 2007 Sozialgeld von der Beschwerdegegnerin. Mit zuletzt bindend gewordenem Bescheid vom 13. September 2006 waren ihnen monatlich 637,32 Euro bis Januar 2007 bewilligt worden.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 verweigerte die Beschwerdegegnerin die Fortzahlung von existenzsichernden Leistungen für die Beschwerdeführer. Zur Begründung wies sie auf eine Änderung im SGB II hin. Danach müsse nunmehr das Einkommen des zweiten Ehemanns der Mutter der Beschwerdeführer auch als Einkommen der Beschwerdeführer berücksichtigt werden. Dies berücksichtigend ergebe sich bei zusätzlicher Berücksichtigung des Einkommens aus Kindergeld und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz kein verbleibender Anspruch der Beschwerdeführer. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies die Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2007 zurück.
Am 20. Februar 2007 beantragten die Beschwerdeführer bei dem Sozialgericht (SG) Braunschweig den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, weiter Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Zur Stützung ihres Antrags legten sie eine eidesstattliche Versicherung ihres Stiefvaters vor, worin dieser im Wesentlichen ausführte, er sei nicht gewillt, den Unterhalt der Beschwerdeführer sicherzustellen. Da kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihm und den Beschwerdeführern bestehe, sei er nicht verpflichtet, sie zu unterhalten.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 26. Februar 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Änderung des SGB II hingewiesen und ausgeführt, der Stiefvater der Beschwerdeführer sei nunmehr verpflichtet, die Beschwerdeführer zu unterhalten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen diese Regelung nicht.
Gegen den Beschluss ist am 1. März 2007 Beschwerde eingelegt worden.
Am 1. April 2007 ist der zweite Ehemann der Mutter der Beschwerdeführer aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführern und ihrer Mutter daraufhin mit Bescheid vom 5. April 2007 für den Monat April 2007 erneut existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Hierbei ist sie indessen davon ausgegangen, dass die Kosten der Unterkunft (KdU) nicht in voller Höhe zu berücksichtigten seien. Die Mutter der Beschwerdeführer habe den Mietvertrag für die bisher bewohnte Wohnung nunmehr auf sich überschreiben lassen. Hierfür habe es der vorherigen Zustimmung der Beschwerdegegnerin bedurft, die die Mutter der Beschwerdeführer nicht eingeholt habe. Da die KdU insgesamt unangemessen hoch seien, sei daher nur der angemessene Teil der KdU zu übernehmen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands erforderlich, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn die Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer eiligen Entscheidung (Anordnungsgrund) als auch das Vorliegen eines materiellen Anspruchs in der Sache (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen. Insoweit ergibt sich nach der im einstweiligen Anordnungsverfahre...