Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anforderungen an den Anordnungsgrund bzw die Eilbedürftigkeit. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Trennung von Ehegatten. abwechselnde Nutzung der bisherigen Familienwohnung zur Kinderbetreuung. Nest-Modell. Anmietung eines zusätzlichen WG-Zimmers. Berücksichtigung der Hälfte der Unterkunftskosten für Familienwohnung und Zimmer
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach Trennung der Ehegatten im Wege des sog "Nest-Modells".
2. In Eilverfahren um SGB II-Leistungen für laufende KdUH dürfen keine überhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund gestellt werden. Das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürfnis ist in aller Regel gegeben, wenn ein SGB II-Leistungsträger zu Unrecht Leistungen für laufende KdUH versagt und es hierdurch bei dem Betroffenen zu einer Bedarfsunterdeckung kommt. Dass bereits die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung wegen Mietrückständen vorliegen oder dass der Vermieter bereits gekündigt oder Räumungsklage erhoben hat, ist für die Bejahung des Anordnungsgrundes nicht zwingend erforderlich.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache weitere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Monat April 2017 i.H.v. 260,02 Euro, für den Monat Mai 2017 i.H.v. 650,06 Euro und für den Monat Juni 2017 i.H.v. 282,53 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
Dem Antragsteller zu 1. wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt L., M., gewährt.
Die PKH-Anträge der Antragsteller zu 2. und 3. werden abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Höhe der den Antragstellern zu gewährenden SGB II-Leistungen, zuletzt nur noch für die Monate März bis Juni 2017. In der Sache wenden sich die Antragsteller dagegen, dass die ihnen vom Antragsgegner mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 28. November 2016 gewährten SGB II-Leistungen nicht in dieser Höhe ausgezahlt, sondern durch den Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 herabgesetzt und nur entsprechend niedriger ausgezahlt wurden.
Der 1976 geborene Antragsteller zu 1. ist der Vater der in den Jahren 2007 bzw. 2010 geborenen Antragsteller zu 2. und 3. Bis ca. Februar 2016 lebten die Antragsteller gemeinsam mit Frau Dr. N. O. (Ehefrau des Antragstellers zu 1. und Mutter der Antragsteller zu 2. und 3.) in einer gemeinsamen Wohnung im P. in M. (im Folgenden: Familienwohnung).
Im März 2016 trennten sich die Eheleute und verständigten sich darauf, die Kinderbetreuung bis auf Weiteres im Wege des sog. “Nest-Modells___AMPX_‚_SEMIKOLONX___X„ zu organisieren. Seitdem leben nur noch die Kinder (Antragsteller zu 2. und 3.) dauerhaft in der Familienwohnung, während der Antragsteller zu 1. und seine Ehefrau jeweils nur noch wechselweise im Wochenrhythmus dort wohnen. Die jeweils andere Woche lebt der Antragsteller zu 1. in einem hierfür angemieteten Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG) in der B. in M. und die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. bei ihrem Partner in Q.. Der Antragsteller zu 1. zahlt für sein WG-Zimmer 170,-- Euro pro Monat (einschließlich Heizkosten; vgl. hierzu: Mahnung des Vermieters vom 28. März 2017, wonach für die Monate Februar bis April 2017 insgesamt 510,-- Euro, d.h. 170,-- Euro pro Monat zu zahlen waren). Für die Familienwohnung fallen nach Aktenlage weiterhin Unterkunftskosten i.H.v. 920,-- Euro pro Monat an (einschließlich Heizkosten).
Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. bestreitet ihren eigenen Lebensunterhalt sowie den Lebensunterhalt der Antragsteller zu 2. und 3. (allerdings lediglich für die Zeiten, in denen sie mit ihnen gemeinsam in der Familienwohnung lebt) aus eigenem Erwerbseinkommen. Dagegen beantragte der Antragsteller zu 1. (gleichzeitig für die Antragsteller zu 2. und 3.) am 1. Juli 2016 beim Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Eine entsprechende Leistungsbewilligung erfolgte erstmals mit vorläufigem Leistungsbescheid vom 12. Oktober 2016, der nachfolgend durch den vorläufigen Leistungsbescheid vom 28. November 2016 ersetzt wurde. Mit dem zuletzt genannten Bescheid wurden den Antragstellern zu 1. bis 3. SGB II-Leistungen u.a. für die Monate Februar bis Juni 2017 i.H.v. 1.101,72 Euro pro Monat gewährt. Bei der Berechnung dieses Leistungsbetrags legte der Antragsgegner einen Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. 545,-- Euro pro Monat zugrunde (Gesamtbetrag für die Antragsteller zu 1. bis 3. für die Wohnungen in der B. sowie im E.). Als einziges Einkommen wurde die Hälfte des an die Antragsteller zu 2. und 3. gezahlten K...