Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Beschränkung auf die Unterkunftsleistungen bei Pflichtverletzung durch jungen Erwachsenen vor Vollendung des 25. Lebensjahres. Pflicht zur Verbindung der Sanktionsentscheidung mit der Entscheidung über ergänzende Sachleistungen. verfassungskonforme Auslegung. wichtiger Grund für den Abbruch eines Praktikums als Kraftfahrer. Aufforderung zur erheblichen Verletzung von Lenk- und Ruhezeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG sowie aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, bei einer Sanktionsentscheidung nach § 31 Abs 5 S 1 SGB 2 zugleich eine Ermessensentscheidung gem § 31 Abs 5 S 6 iVm Abs 3 S 6 SGB 2 darüber zu treffen, ob und ggf in welchem Umfang dem jungen Hilfebedürftigen ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu gewähren sind.

 

Orientierungssatz

Wird einem Hilfebedürftigen während eines Praktikums als Kraftfahrer laufend angesonnen erheblich gegen Lenk- und Ruhezeiten zu verstoßen, so liegt ein wichtiger Grund iS des § 31 Abs 1 S 2 SGB 2 für den Abbruch des Praktikums vor.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 16. März 2010 geändert. Die einsteilige Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet wird, dem Antragsteller ab März 2010 bis längstens April 2010 vorläufig ungekürzte Regelleistungen wie nach dem Bescheid vom 24. August 2009 zu erbringen, und zwar mit dem Vorbehalt einer Entscheidung über die Gewährung von Sachleistungen oder geldwerter Leistungen und unter Anrechnung auf diese, wird aufgehoben; der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Monate März und April 2010 zu gewähren, wird abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe

Die nach den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Stade vom 16. März 2010 - da der Antragsgegner in dem angefochtenen Beschluss vom 16. März 2010 letztlich von dem SG Stade dazu verpflichtet worden ist, dem Antragsteller die diesem in den Bescheiden vom 21. Januar und 15. Februar 2010 vorenthaltenen Regelleistungen in den Monaten Februar bis April 2010 (i. H. v. jeweils 359,00 €) zu gewähren, beträgt die Beschwer des Antragsgegners 1.077,00 € (= 3 x 359,00 €), so dass sich seine Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 SGG als zulässig erweist - , mit der sich der Antragsgegner dagegen wendet, dass das SG Stade bezüglich der Regelleistung für den Monat Februar 2010 nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 28. Januar 2010 gegen den Aufhebungs- und Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 22. Januar 2010 und die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 22. Januar 2010 gem. § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG angeordnet sowie den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, dem Antragsteller für die Monate März und April 2010 auch die Regelleistung i. H. v. 359,00 € zu gewähren, hat z. T., und zwar hinsichtlich der Monate März und April 2010, d. h. hinsichtlich der von dem SG Stade erlassenen einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG Erfolg, während die Beschwerde im Übrigen, d. h. hinsichtlich der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 SGG (Gewährung der Regelleistung für den Monat Februar 2010), als unbegründet zurückzuweisen ist.

1. Die Beschwerde des Antragsgegners für die Monate März und April 2010, also hinsichtlich der von dem SG Stade insoweit nach § 86 b Abs. 2 SGG erlassenen einstweiligen Anordnung, hat schon deshalb Erfolg, weil der Antragsgegner für diese Monate durch Bescheid vom 15. Februar 2010 (betreffend den neuen Bewilligungszeitraum März bis August 2010 bzw. jetzt - nach der Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung bei der Firma F. GmbH aus G. zum 1. April 2010 und der Einstellung der SGB II-Leistungen durch Bescheid vom 1. April 2010 zum 30. April 2010 - bis April 2010) die dem Antragsteller nach dem SGB II zustehenden Leistungen auf die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 300,00 € im Monat begrenzt hat und der diese Begrenzung verfügende Bescheid (vom 15. Februar 2010) nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens bestandkräftig geworden ist. Denn nach den vorgelegten Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ist gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 15. Februar 2010, der laut Abgangsvermerk noch am selben Tag zur Post gegeben wurde, bis zum Ablauf 18. März 2010 (Ende der Widerspruchsfrist...

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