Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. keine Kürzung der Regelleistung oder Einkommensberücksichtigung bei freier Verpflegung während einer Rehabilitationsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Die einem Empfänger von Grundsicherungsleistungen während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme gewährte Verpflegung ist weder Einkommen iS von § 11 SGB 2 noch bedarfsdeckend iS von § 20 SGB 2.
2. Die AlgIIV findet deshalb keine Anwendung.
3. Soweit die AlgIIV so ausgelegt wird, als erlaube sie eine Anrechnung von bereitgestellter Vollverpflegung als Einkommen, kann dem aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden, weil § 13 SGB 2 unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art 80 GG insoweit nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden kann, denn dieser räumt lediglich die Ermächtigung ein, Einkommen von der Anrechnung auszunehmen (entgegen LSG Celle-Bremen vom 29.1.2007 - L 13 AS 14/06 ER = FEVS 58, 543; Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 30.7.2007 - L 8 AS 186/07 ER = info also 2007, 263).
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichtes Lüneburg vom 10.Dezember 2007 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide der Beschwerdegegnerin vom 29.August und15.November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.November 2007 wird angeordnet.
Die Beschwerdegegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer steht seit Anfang 2005 im laufenden Bezug von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bei der Beschwerdegegnerin.
Mit Bescheid vom 13. April 2007 waren ihm für die Zeit von Juni bis November 2007 Regelsatzleistungen in gesetzlicher Höhe gewährt worden. Die Beschwerdegegnerin erlangte sodann Kenntnis davon, dass der Beschwerdeführer sich vom 29. August bis zum 7. November 2007 stationär in einer Rehabilitationseinrichtung befand.
Mit Bescheid vom 29. August 2007 änderte die Beschwerdegegnerin den Bescheid vom 13. April 2007 dahingehend, dass nunmehr monatlich nur noch 225,55 Euro gezahlt würden. Zur Begründung wies sie darauf hin, der Beschwerdeführer sei stationär untergebracht und werde voll verpflegt. Daher seien ihm Leistungen für die Verpflegung in Höhe von monatlich 121,45 Euro als Einkommen auf seinen Anspruch anzurechnen. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 15. November 2007 rechnete die Beschwerdegegnerin für den Monat November 2007 wegen der zwischenzeitlichen Entlassung des Beschwerdeführers aus der Reha-Einrichtung nur noch Einkommen in Höhe von 28,34 Euro für den Monat November 2007 an.
Der Widerspruch des Beschwerdeführers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 zurückgewiesen. Hiergegen ist vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben worden (Aktenzeichen S 31 AS 1731/97).
Am 27. November 2007 beantragte der Beschwerdeführer bei dem SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Dies lehnte das SG mit Beschluss vom 10. Dezember 2007 ab. Zur Begründung wies es im Wesentlichen darauf hin, die Frage, ob die Gewährung von Vollverpflegung beim Aufenthalt in einer stationären Einrichtung als Einkommen im Sinne des SGB II zu werten sei, sei rechtlich umstritten. Von daher sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Bei der vorzunehmenden Abwägung müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer nunmehr wieder volle Leistungen nach dem SGB II erhalte und auch in der Zeit der stationären Unterbringung sein Verpflegungsbedarf gedeckt worden sei. Mithin könne kein überwiegendes Interesse des Beschwerdeführers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung erkannt werden.
Gegen den am 13. Dezember 2007 zugestellten Beschluss ist am 20. Dezember 2007 Beschwerde eingelegt worden, die das SG nach Nichtabhilfe am 2. Januar 2008 dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Einstweiliger Rechtsschutz ist hier - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - in Anwendung von § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren. Mit dem Bescheid vom 13. April 2007 ist ein Rechtsgrund geschaffen worden, aus dem der Beschwerdeführer auch für Oktober und November 2007 die Auszahlung der ihm zugesprochenen Leistungen nach dem SGB II verlangen kann. Die diesen Bescheid ändernden Bescheide vom 29. August 2007 und 15. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 stellen belastende Verwaltungsakte da, sodass einstweiliger Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 SGG zu beurteilen ist.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen. Dabei ist vom Gericht eine Abwägung vorzunehmen zwischen einerseits dem Interesse des Beschwerdeführers, einstweilen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, und andererseits dem Interesse der den Verwaltungsakt erlassenen Verwaltung, dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden besonderen allgemeinen Vollzugsinteresse, wie es sich aus § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. ...