Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Aussetzung bei unterbliebenem Vorverfahren. vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Festsetzung. Ausgleichspflicht für den Mehraufwand ausgeschlossener Leistungen. kein Vorverfahren. Geltung des ambulanten Verordnungsausschlusses während Krankenhausaufenthalt. Prüfungsverfahren. Rechtmäßigkeit einer Regressforderung. Durchführung eines Vorverfahrens. Nachholung vor Beschwerdeausschuss bei unterbliebenem Vorverfahren. Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens bis zu dessen Entscheidung

 

Orientierungssatz

1. Ein sozialgerichtliches Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 114 Abs 2 SGG auszusetzen, wenn das nach § 78 Abs 1 S 1 SGG notwendige Vorverfahren bisher nicht durchgeführt worden ist (vgl BSG vom 3.3.1999 - B 6 KA 10/98 R = SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1).

2. Bei der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch Gesetz oder Richtlinien nach § 92 SGB 5 ausgeschlossen sind, findet nach § 106 Abs 5 S 8 SGB 5 ein Vorverfahren nicht statt.

3. Der ambulante Verordnungsausschluss während eines Krankenhausaufenthalts gilt nach § 39 Abs 1 S 3 SGB 5 nicht allgemein, sondern nur, soweit er im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten notwendig ist.

4. Im Prüfungsverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Regressforderung wegen eines vertragsärztlich verursachten Schadens ist stets ein Vorverfahren durchzuführen, weil ua ein Verschulden des betroffenen Vertragsarztes zu klären und ein konkreter Schaden festzustellen ist (vgl LSG Celle-Bremen vom 6.2.2015 - L 3 KA 108/13 B).

5. Ist damit das unterbliebene Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss noch nachzuholen, so ist das sozialgerichtliche Verfahren bis zu dessen Entscheidung auszusetzen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss des Sozialgerichts Hannover vom 16. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde der beklagten Prüfungsstelle - gerichtet gegen den vom Sozialgericht (SG) Hannover im Hauptsacheverfahren erlassenen Aussetzungsbeschluss vom 16. Dezember 2014 - ist zulässig, aber unbegründet.

1. In entsprechender Anwendung von § 114 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein sozialgerichtliches Verfahren auszusetzen, wenn das nach § 78 Abs 1 S 1 SGG notwendige Vorverfahren bisher nicht durchgeführt worden ist (vgl hierzu Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-5540 Anl  1 § 10 Nr 1). Ein solcher Fall liegt hier vor; über die Einwände der Klägerin gegen den ansonsten streitbefangenen Bescheid der Prüfungsstelle vom 18. März 2014 hat zunächst der vom SG bereits beigeladene Beschwerdeausschuss (nach § 106 Abs 5 S 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫) zu entscheiden.

Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle ist bei der hier vorliegenden Konstellation die Durchführung eines Vorverfahrens nicht entbehrlich. Zwar findet in den Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei “Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind„, ein Vorverfahren nicht statt (§ 106 Abs 5 S 8 SGB V). Nach der Rechtsprechung des BSG gilt diese (Ausnahme-)Regelung aber nur dann, wenn sich die Unzulässigkeit einer Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien ergibt. Ferner ist die Regelung in Verfahren nicht anwendbar, in denen es um die Feststellung eines “sonstigen Schadens„ geht, weil dieser nur vorliegt, wenn lediglich “Art und Weise„ der Verordnung fehlerhaft waren (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31).

a) Hinsichtlich der von der Klägerin hier ausgestellten Arzneimittelverordnungen ergibt sich aus dem Gesetz aber kein eindeutiger Leistungsausschluss. Schon aus diesem Gesichtspunkt heraus ist die Durchführung eines Vorverfahrens nicht entbehrlich.

Nach § 39 Abs 1 S 3 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung ua auch die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Entsprechend ist während eines stationären Aufenthalts die Arzneimittelversorgung regelmäßig von dem jeweiligen Krankenhaus sicherzustellen; diese wird dann mit der Vergütung abgegolten, die von der Krankenkasse für den Krankenhausaufenthalt entrichtet wird. Daher kann die Verordnung eines Arzneimittels, die während eines solchen Aufenthalts durch einen niedergelassenen Vertragsarzt ausgestellt wird, zu zusätzlichen Kosten bei der zuständigen Krankenkasse führen, die nicht erforderlich geworden wären, wenn das Krankenhaus die Arzneimittelversorgung hätte übernehmen müssen.

Der sich daraus ergebende (ambulante) Verordnungsausschluss während eines Krankenhausaufenthalts gilt nach dem Gesetzwortlaut in § 39 Abs 1 S 3 SGB V aber nicht allgemein, sondern nur soweit er “im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten notwendig„ ist. Der Ausschluss ist daher abhängig von den Umständen des Einzelfalls und lässt sich damit - insbesondere hinsichtlich seines Umfangs - nicht eindeutig a...

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