Entscheidungsstichwort (Thema)

Landesblindengeld. Anrechnung von Leistungen bei häuslicher Pflege. Gebundene Entscheidungen. Kein Ermessen. Verfassungsgemäßheit. Keine Ungleichbehandlung. Kein vergleichbarer Sachverhalt. Nachranggrundsatz. Aus Steuermitteln finanzierte Leistungen. Beitragsfinanzierte Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Leistungsgewährung von Landesblindengeldes nach § 2 Abs. 1 NBlGG handelt es sich ebenso wie bei der Anrechnung von Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 38 SGB XI gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 NBlGG um gebundene Entscheidungen; ein Ermessen steht der Behörde dabei nicht zu.

2. Die Anrechnung von Leistungen bei häuslicher Pflege ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1; SGB XI §§ 36-38; SGB XII § 19 Abs. 3, § 72; NBlGG § 3 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.12.2018; Aktenzeichen B 9 BL 1/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Entscheidung der Beklagten, mit der dem Kläger Blindengeld nach dem Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde in Niedersachsen (NBlGG) für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zunächst längstens 31. Dezember 2019 in Höhe von 210,00 € monatlich bewilligt worden ist. Der Kläger wendet sich gegen die dabei von der Beklagten vorgenommenen Anrechnung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) in Höhe von 165,00 € monatlich.

Der 1947 geborene Kläger erhielt bis zum 31. Dezember 2016 von der Kaufmännischen Krankenkasse - Pflegekasse - Pflegeleistungen der Pflegestufe 2 (Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in Höhe von 458,00 € monatlich). Ab dem 1. Januar 2017 erhält er entsprechende Leistungen nach dem Pflegegrad 3 in Höhe von 545,00 € monatlich (§ 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2015, BGBl. I S. 2424).

Bei dem Kläger ist mit Abhilfebescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 29. März 2017 ab dem 27. Januar 2017 das Merkzeichen “Bl„ festgestellt worden. Nach Vorlage dieses Abhilfebescheides hat die Beklagte den vom Kläger am 21. November 2016 zusammen mit dem Antrag auf Feststellung des Merkzeichens “Bl„ gestellten Antrag auf Gewährung von Blindengeld beschieden und dem Kläger Landesblindengeld nach dem NBlGG für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zunächst längstens 31. Dezember 2019 in Höhe von 210,00 € monatlich bewilligt und dabei Leistungen nach dem SGB XI in Höhe von 165,00 € monatlich in Abzug gebracht.

Am 1. Juni 2017 hat der anwaltlich vertretene Kläger gegen diesen Bescheid Klage bei dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Es sei rechtlich nicht nachvollziehbar, dass ihm Leistungen, für die er selber Beiträge gezahlt habe, vom Landesblindengeld abgezogen werden.

Das SG hat die Klage nach mündlicher Verhandlung am 14. Februar 2018 mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Die Anrechnung von Leistungen nach den §§ 36 bis 38 SGB XI auf das Landesblindengeld sei in § 3 Abs. 2 Satz 1 NBlGG gesetzlich geregelt, es handele sich dabei nicht um eine Ermessensvorschrift. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschrift (wird näher ausgeführt).

Gegen das am 27. Februar 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. März 2018 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens Berufung eingelegt. Er erhalte keine “gleichartige„ Leistungen i.S. von § 72 SGB VII (gemeint wohl SGB XII) nach anderen Rechtsvorschriften. Außerdem habe das SG verkannt, dass sein Antrag vom 21. November 2016 datiere und es sich um einen sog. Bestandsfall i.S. der Vorschriften handele.

Der Senat hat der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. April 2018 folgende Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben:

- Der Kläger bezog bis zum 31. Dezember 2016 nach den damals geltenden Vorschriften des SGB XI Leistungen nach der Pflegestufe 2 in Höhe von 458,00 €. Ab dem 1. Januar 2017 bezieht er nach den nunmehr geltenden Vorschriften des SGB XI Leistungen nach Pflegegrad 3 aufgrund der Übergangsregelung in § 123 Abs. 4 SGB XI in Höhe von 545,00 €.

- Der Kläger gehört damit nicht zu dem Personenkreis des § 123 Abs. 2 (Versicherte ohne Pflegestufe) oder Abs. 3 (Versicherte nach der alten Pflegestufe 1) SGB XI.

- Die Übergangsregelung des § 10 NBlGG ist deshalb im Falle des Klägers nicht einschlägig, weil die dort geregelte Rechtsfolge ausschließlich Personen mit Leistungsansprüchen nach § 123 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB XI betrifft,

- Eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Anrechnung von Leistungen sah weder das bis zum 31. Dezember 2016 noch das ab dem 1. Januar 2017 geltende NBlGG vor.

- Eine Gesetzesfassung, wie in der Berufungsbegründung auf Seite 3 behauptet, hat es nie gegeben. Es könnte sich um die Gesetzesbegründung zu der Neufassung des § 10 NBlGG handeln, aus der sic...

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