Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. gesetzlicher Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel von der Leistungspflicht. kein Verstoß gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht. kein Einfluss einer Entscheidung einer Versorgungsbehörde über Höhe des GdB auf die Beurteilung einer lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung im krankenversicherungsrechtlichen Sinne
Orientierungssatz
1. Der gesetzliche Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und die mit ihm einhergehenden Ausnahmebestimmungen verstoßen nicht gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht.
2. Eine lebensbedrohende oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung (hier: chronische Emphysembronchitis) liegt im krankenversicherungsrechtlichen Sinne nicht vor, wenn eine Versorgungsbehörde einen GdB von 100 und den Nachteilsausgleich G festgesetzt und für die Erkrankung einen Einzel-GdB von 70 angenommen hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme für das Medikament Gelomyrtol forte.
Der im November 1934 geborene Kläger leidet an einer chronischen Atemwegserkrankung. Der den Kläger behandelnde Arzt Dr. B bescheinigte mit Datum vom 27. Mai 2004, dass er dem Kläger Gelomyrtol forte seit 1993 regelmäßig verordnet habe und die Behandlung auch über den 1. Januar 2004 hinaus weiterhin medizinisch sinnvoll sei. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für die Behandlung des Klägers mit Bescheid (ohne Rechtsmittelbelehrung) vom 19. Juni 2004 ab. Bei dem Medikament Gelomyrtol forte handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament. Nach den seit dem 1. Januar 2004 geltenden gesetzlichen Bestimmungen seien derartige Medikamente von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erfasst. Eine schwerwiegende Erkrankung, die nach den Arzneimittel-Richtlinien (ARL) eine Ausnahme rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Seinen dagegen erhobenen Widerspruch vom 12. September 2004 hat der Kläger damit begründet, dass seine chronische Bronchitis als schwerwiegende Erkrankung zu betrachten sei. Soweit ihm bekannt sei, werde bei diesen Krankheitsbildern Gelomyrtol forte standardmäßig eingesetzt. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung seiner chronischen Erkrankung als Grund für eine Ausnahmeregelung in den ARL seien gegeben, weil es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handele und die Behandlung mit Gelomyrtol forte eine Standardtherapie sei. Es könne auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein, wenn nicht verschreibungspflichtige, aber zur Therapie erforderliche Arzneimittel von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt würden. Er legte eine weitere Bescheinigung seines Arztes Dr. B vom 30. September 2004 vor, wonach die Behandlung des Klägers mit Gelomyrtol forte medizinisch notwendig sei. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für das Medikament Gelomyrtol forte nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dr H vom 22. Oktober 2004 mit Bescheid vom 26. Oktober 2004 erneut ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 22. November 2004 Klage erhoben und geltend gemacht, dass er an einer chronischen Emphysembronchitis leide, die vom Versorgungsamt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt sei. Die Therapie mit Gelomyrtol forte sei für ihn mit monatlichen Kosten von 28,80 € verbunden. Soweit die Beklagte ihre Ablehnung auf die seit dem 1. Januar 2004 geltenden gesetzlichen Bestimmungen gestützt habe, sei dies nicht überzeugend, weil die Regelungen als verfassungswidrig zu betrachten seien. Auch seien die Bestimmungen mit Europarecht nicht vereinbar, weil sie gegen Artikel (Art.) 7 der Transparenz-Richtlinie 89/105/EWG vom 22. Dezember 1988 verstießen.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage durch Urteil vom 21. April 2005 abgewiesen. Die Beklagte habe die Übernahme der Kosten für das Medikament Gelomyrtol forte zu Recht abgelehnt, denn als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel sei es von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2004 (BGBl I 2190) ausgeschlossen. Auch die Voraussetzungen der seit dem 16. März 2004 geltenden Ausnahmeregelungen in den Nrn. 16.4.1 bis 16.4.41 der ALR seien im Falle des Klägers nicht gegeben. Diese gesetzlichen Bestimmungen seien verfassungsgemäß. Insbesondere ergäbe sich kein Anhalt für die Annahme, dass die Regelungen gegen das Willkürverbot verstießen. Der Gesetzgeber habe für den Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente sachliche Gründe ge...