Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Erhebung von Beitragszuschlägen durch den Unfallversicherungsträger
Orientierungssatz
1. Bei der Festsetzung der Beitragszuschläge des Unfallversicherungsträgers, die nach dem gesetzgeberischen Willen zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften und einem Rückgang von Arbeitsunfällen führen sollen, ist ein Verschulden für zugrundeliegende Arbeitsunfälle nicht zu prüfen. Lediglich durch Betriebsfremde verursachte Unfälle sind nicht zu berücksichtigen.
2. Die Vorschrift des § 162 SGB 7 ermöglicht sowohl ein reines Beitragsnachlass- als auch ein reines Beitragszuschlagsverfahren, wie auch eine Kombination von beidem. In der Ausgestaltung des Verfahrens ist der Unfallversicherungsträger als Satzungsgeber frei.
3. Die Rechtmäßigkeit eines Beitragszuschlags wird durch etwaige Regressansprüche des Unfallversicherungsträgers gegenüber Dritten nicht berührt. Denn solche Rückflüsse kämen den Mitgliedsunternehmen des Unfallversicherungsträgers in Form von Beitragssenkungen wieder zugute.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung eines Beitragszuschlags wegen entstandener Aufwendungen für Arbeitsunfälle im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.
Die Klägerin betreibt in G. ein Bauunternehmen und ist Mitglied bei der Beklagten. Mit Beitragsbescheid vom 18. April 2005 erhob die Bau-Berufsgenossenschaft (Bau-BG) Hannover als Rechtsvorgängerin der Beklagten für das Jahr 2004 neben dem vorliegend unstreitigen Beitrag (148.996,60 €) einen Beitragszuschlag in Höhe von 33.032,55 €.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte, nachdem sie von der Beklagten eine Auflistung der dem Zuschlag zugrunde liegenden (28) Arbeitsunfälle der Jahre 2003 und 2004 und der dazu im Jahr 2004 entstandenen Aufwendungen erhalten hatte, zu dessen Begründung aus, dass die dem Beitragszuschlag zugrunde liegende Regelung des § 28 der Satzung der Bau-BG Hannover vom 25. Juni 1997 in der Fassung vom 25. Juni 1998 und des achten Nachtrags vom 3. Dezember 2003, wonach unter Berücksichtigung der Aufwendungen für anzuzeigende Versicherungsfälle Beitragszuschläge auferlegt werden können, rechts- und verfassungswidrig sei. Der Zweck der Regelung, nämlich die betriebliche Unfallverhütung, werde verfehlt, wenn Zuschläge erhoben würden, obgleich ein Betrieb vorschriftsmäßig handele, sich um Unfallverhütung bemühe und Arbeitsunfälle allein auf das Verschulden der Arbeitnehmer oder Dritter zurückzuführen seien. So sei es bei dem nach der o. g. Auflistung mit einer Unfallbelastung von 36.106,91 € kostenträchtigsten Arbeitsunfall vom 22. Oktober 2003 gewesen, bei dem ihr Arbeitnehmer Dirk H. allein aus eigener Unachtsamkeit von einer Leiter gefallen sei. Werde ein Beitragszuschlag ohne Nachweis eines Verschuldens des beitragspflichtigen Unternehmers erhoben, so stelle dies eine verfassungswidrige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes (GG) dar. Durch das Zuschlagsverfahren würden Betriebe, die bereits solidarisch Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zahlten, in ungerechtfertigter Weise doppelt belastet. Die Zuschläge für Unternehmen mit einer hohen Gefahrklasse fielen zudem unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG unverhältnismäßig hoch aus. Unverhältnismäßig sei auch, dass ein Zuschlag nach § 30 Abs. 3 der Satzung mit bis zu 30% des Beitrags erhoben werden könne. Schließlich seien in der Auflistung der seitens der Beklagten zugrunde gelegten Arbeitsunfälle auch solche, die gar nicht meldepflichtig gewesen seien.
Nach entsprechendem Nachweis nicht meldepflichtiger Arbeitsunfälle verminderte die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 23. Mai 2006 den Beitragszuschlag um 420,20 €. Soweit der Widerspruch seitens der Klägerin aufrecht erhalten wurde, wies die Beklagte diesen mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), laut dem Beitragszuschläge, wie sie auch die Beklagte aufgrund ihrer Satzung erhebe, grundsätzlich nicht gegen höherrangiges Recht verstießen und nicht an tatsächliche Entschädigungsleistungen der Berufsgenossenschaften für Arbeitsunfälle gebunden seien.
Die Klägerin hat am 10. November 2006 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben und zur Begründung ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei der Frage der Beitragszuschläge, die zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften und einem nachweisbaren Rückgang von Arbeitsunfällen geführt hätten, ein Verschulden für zugrundeliegende Arbeitsunfälle nicht zu ...