Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Einpersonenhaushalt im Landkreis Göttingen in Niedersachsen. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts in den Jahren 2012/2014
Leitsatz (amtlich)
1. Das Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im Landkreis Göttingen 2012 mit der Indexfortschreibung 2014 erfüllt nicht die Anforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept.
2. Bei einem methodischen Ansatz, zur Bestimmung der Grenzwerte den gesamten Wohnungsmarkt zu erheben, muss die gezogene Stichprobe diesen widerspiegeln, also repräsentativ sein.
Tenor
Die Berufungen des Beklagten gegen die Urteile des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Mai 2017 werden zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch der Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) im Jahr 2016.
Die im Jahr 1960 geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2007 (wieder) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Seit dem Jahr 1989 bewohnt sie in Göttingen eine etwas mehr als 53 m² große Wohnung, für die sie im Streitzeitraum nach einer Mieterhöhung zum 1. Dezember 2013 eine monatliche Bruttokaltmiete in Höhe von (iHv) 458,01 € entrichtete (Mitteilung der Göttinger Hausverwaltung GmbH vom 17. September 2013). Seit dem Leistungsbeginn ist die Höhe der angemessenen KdU umstritten. Bis Ende des Jahres 2014 legte der Beklagte den Tabellenwert des Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlages iHv 10 % zugrunde, zuletzt mit Bescheid vom 20. Juni 2014 iHv insgesamt 394 €. Ab 1. Januar 2015 bewilligte er als angemessene KdU 392 € aufgrund der “Indexfortschreibung im Endbericht November 2014„ des “Schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im Landkreis Göttingen 2012 (Endbericht Stand März 2013)„ der Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH - Hamburg (im Folgenden: A&K). Aufgrund der Urteile des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 10. Mai 2017 zu den Az S 39 AS 651 sowie 884/15 und nach Rücknahme der Berufungen vor dem erkennenden Senat zu den Az L 6 AS 465 sowie 466/17 berücksichtigte der Beklagte für das Jahr 2015 wieder den Tabellenwert des WoGG zuzüglich des Sicherheitszuschlags.
Für die Monate Januar bis Juni 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 Leistungen für KdU iHv 392 € zuzüglich des festgesetzten Heizkostenabschlags für den Monat Januar iHv 67 €. Den Widerspruch wies er unter Hinweis auf das A&K Gutachten zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2016). Nachdem in der Jahresverbrauchsabrechnung 2015 die Abschlagszahlungen für die Folgemonate festgesetzt worden waren, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2016 Leistungen für Heizkosten in dieser Höhe auch für die Monate ab Februar 2016 (Änderungsbescheid vom 5. Februar 2016). Dagegen hat die Klägerin am 10. Februar 2016 Klage vor dem SG Hildesheim (Az S 39 AS 187/16) erhoben.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12. Mai 2016 Leistungen für die Monate Juli bis Dezember 2016 in unveränderter Höhe und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2016). Auch dagegen hat die Klägerin (am 20. Juli 2016) vor dem SG Hildesheim Klage erhoben (S 39 AS 999/16).
Das SG hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin weitere Unterkunftskosten iHv monatlich 66,01 € zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Beklagten sei es nicht gelungen, die regional abstrakt angemessene Wohnungsmiete nachvollziehbar darzulegen. Die Bestimmung der Angemessenheit habe in mehreren Stufen zu erfolgen. Zunächst seien die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum festzulegen. In einem weiteren Schritt sei zu ermitteln, wieviel auf dem Wohnungsmarkt des Vergleichsraums für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden sei. Der Vergleichsraum bestehend aus der Stadt Göttingen sowie den angrenzenden Gemeinden Bovenden und Rosdorf sei fehlerhaft gebildet worden. Weder aufgrund einer vergleichbaren Infrastruktur noch aufgrund der verkehrstechnischen Verbundenheit handele es sich um einen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Des Weiteren gründe die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen m²-Preises nicht auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Der Mietdatenerhebung liege keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde. Ihre Repräsentativität und die Kappungsgrenze seien nicht nachzuvollziehen. Das Gutachten mache schon keine Angaben zu dem Verhältnis der bei den großen Vermietungsgesellschaften erhobenen Bestands- und Angebotsmieten zu den bei kleineren privaten Vermietern erhobenen. Das Gutachten greife zu 78 % auf die Ergebnisse großer Vermietungsgesellschaft...