Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die Implantation torisch intraokularer Kontaktlinsen trotz fehlender Anerkennung durch den G-BA. nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion
Orientierungssatz
Bei einer rechts und links an hoher Myopie, Astigmatismus, Presbyopie, einer Kontaktlinsenunverträglichkeit und einem Zustand nach mehrmaliger Septorhinoplastik leidenden Versicherten liegt eine Beeinträchtigung einer herausgehobenen Körperfunktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R und B 1 KR 30/06 R vor, bei der eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung auf eine noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannte neue ärztliche Behandlungsmethode ausgeschlossen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Kostenerstattung für die Implantation torisch intraokulärer Kontaktlinsen (- ICL - sog. permanente Kontaktlinsen).
Die 1947 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie leidet rechts und links an hoher Myopie, Astigmatismus, Presbyopie, einer Kontaktlinsenunverträglichkeit und einem Zustand nach mehrmaliger Septhorinoplastik. Am 28. Mai 2003 beantragte sie über die Ärzte für Augenheilkunde Dres. S/D bei der Beklagten die ICL. Die Kosten seien mit ungefähr 5.400,00 Euro kalkuliert. Die Beklagte holte eine Stellungnahme nach Aktenlage von dem Arzt für Augenheilkunde Dr. D vom 20. Juni 2003 ein. Er hielt anhand der ihm vorliegenden Fotografien eine Brillenversorgung, die sich auf dem Nasenrücken der Klägerin abstütze, ggf. mittels eines sehr leichten Titangestells, für durchaus möglich. Dem widersprach Dr. D in ausführlichen Stellungnahmen vom 17. und 26. Juli 2003, zu denen sich Dr. D am 3. September 2003 äußerte.
Vom 8. bis 15. September 2003 wurde die Klägerin wegen Septumdeviation, knöchern/knorpeliger Schiefnase und Nasenmuschelhyperplasie beiderseits im Universitätsklinikum H E Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten mit einer Septorhinoplastik und Muschelkappung beiderseits stationär behandelt. In dem von der Beklagten hierüber eingeholten Bericht vom 15. September 2003 stellten die behandelnden Ärzte Dres. G/M fest, dass die Klägerin "in Zukunft keine Brille tragen" könne. Das Schreiben enthält nach den Worten "in Zukunft" die Fußnote des bearbeitenden Mitarbeiters der Beklagten: "It. R. mit Dr. G: für 3 Monate!!". Zu der Fußnote befindet sich eine Aktennotiz in den Verwaltungsakten der Beklagten. Mit Bescheid vom 29. September 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und überreichte ein Schreiben des Dr. G vom 11. Dezember 2003. Danach habe sich in der Nachsorge vom 9. Oktober 2003 ein relativ gutes Nasenprofil mit vernarbter unruhiger Haut in diesem Bereich gezeigt; die Haut im Nasenrückenbereich sei extrem empfindlich und druckdolent, so dass zunächst noch vom Tragen einer Brille auf unbestimmte Zeit abgeraten werde. Auf dem Schreiben vom 11. Dezember 2003 befindet sich ein Aktenvermerk der Beklagten über ein Telefonat mit Dr. G vom 6. Januar 2004: "Heilungsverlauf ist wohl nicht wie gewünscht verlaufen. Macht aber auch deutlich, dass sie viel "Theater" macht und die Beschwerden für ihn nicht nachvollziehbar seien. Frau M zeigte ihm Druckstellen, die sie angeblich vom Tragen einer ultraleichten Brille habe. Daher hat er die Bescheinigung ausgestellt! Herr Dr. G schlägt die erneute Begutachtung durch einen HNO-Arzt des MDK vor."
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDK) mit der Abgabe einer Stellungnahme. Der MDK (Dr. R) erstellte jedoch keine schriftliche medizinische Stellungnahme. Er äußerte sich schriftlich lediglich zur Rechtslage und wies darauf hin, dass die Implantation einer ICL "zu den in der Anlage B, BUB-Richtlinien enthaltenen Methoden" zähle. Am selben Tag (am 23. März 2004) telefonierte die Beklagte mit Dr. R und verfasste darüber folgenden Aktenvermerk: "...Zusammengefasst ist für Frau Dr. R die Versorgung mit einer torischen intraokularen Kontaktlinse nicht indiziert. Es gibt diverse Brillengestellversorgungsmöglichkeiten (z. B. Sitz der Brille auf der Nasenwurzel, Entlastung des Nasenrückens durch Gewichtsverlagerung auf die Ohrmuscheln) zur Entlastung des Nasenrückens. Weiterhin sollte die Hornhautverkrümmung med. abgeklärt und therapiert werden. Die intraokulare Linse könne unter diesem Gesichtspunkt heraus noch gar nicht implantiert werden. Neurologische Beschwerden sollten über einen Facharzt abgeklärt werden."
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14. April 2004 erneut ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2004 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.
In der Zwi...