Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Hepatitis-A-Impfung. Havrix-Impfstoff. Multiple Sklerose. ursächlicher Zusammenhang. aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft. Kannversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gibt es keine Hinweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und der Auslösung von Multipler Sklerose.

2. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium in Impfstoffen sind (bisher) reine Spekulation.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.05.2021; Aktenzeichen B 9 V 67/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Multiplen Sklerose (MS).

Der 1966 geborene Kläger wurde am 8. Mai 2001 mit dem Impfstoff Havrix 1440 (Chargen-Nr. VHA628C6) gegen Hepatitis-A geimpft aufgrund seiner zum damaligen Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeit als Pilot für Langstreckenflüge bei der I. AG.

Am 25. Mai 2001 wurde der Kläger bei seinem Hausarzt Dr. J. vorstellig und beklagte nach einem Flug in den Senegal seit fünf Tagen unter viermal täglichem Durchfall ohne Fieber zu leiden und sich schlapp zu fühlen. Er nehme zurzeit Sempera, ein Präparat gegen Nagelpilz, ein (Bl. 97 Verwaltungsakte). Dr. J. diagnostizierte Diarrhoe und Gastroenteritis, vermutlich infektiösen Ursprungs, sowie Unwohlsein und Ermüdung. Eine von Dr. J. eingeleitete Untersuchung des Stuhls auf Erreger, Würmer etc. verlief negativ. Der Kläger war aufgrund dieser Gesundheitsstörungen bis einschließlich 28. Mai 2001 arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Bl. 129 Verwaltungsakte).

Im Rahmen einer Flugtauglichkeitsuntersuchung am 13. August 2001 durch die Fliegerärztliche Untersuchungsstelle konnten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers festgestellt werden. Seine Flugtauglichkeit wurde dementsprechend bestätigt.

Am 6. Februar 2002 stellte sich der Kläger wegen eines zweimaligen leichten Schwankschwindelgefühls bei Dr. J. vor. In seinem Befundbericht vom 21. Juni 2002 teilte Dr. J. diesbezüglich mit, dass der Kläger zweimaligen kurzen Schwankschwindel berichtet habe. Danach seien keinerlei Beschwerden diesbezüglich mehr aufgetreten. Vom 20. bis 22. März 2002 begab sich der Kläger in stationäre neurologische Behandlung ins Zentralkrankenhaus K. wegen seit einer Woche aufsteigender Parästhesien der unteren Extremität. Dort wurde eine wahrscheinliche Encephalitis disseminata diagnostiziert. Die Weiterbehandlung erfolgte durch die Fachärztin für Neurologie Dr. L.. Diese teilte in ihrem Befundbericht vom 9. Juli 2004 die Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata bei Erstsymptomatik und Diagnosestellung im März 2002 mit.

Am 20. September 2007 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG mit der Begründung, seine Erkrankung an MS sei auf die am 8. Mai 2001 durchgeführte Hepatitis-A-Impfung zurückzuführen. Erstmals acht Monate nach der Impfung sei bei ihm ein leichter Schwindel als erster Anhaltspunkt für die Erkrankung an MS aufgetreten.

In einem parallel geführten Verfahren des Klägers gegen die zuständige Berufsgenossenschaft auf Anerkennung der Hepatitis-A-Impfung vom 8. Mai 2001 als Arbeitsunfall holte die Berufsgenossenschaft eine Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 18. Dezember 2007 ein, wonach dem RKI keine Studien zum Zusammenhang zwischen Hepatitis-A-Impfungen und MS vorlägen. Aus allen epidemiologischen Daten ergebe sich statistisch kein Hinweis auf eine Häufung von Erstmanifestationen oder Schubauslösungen von Autoimmunerkrankungen wie MS nach Impfungen. Ein Zusammenhang zwischen der Hepatitis-A-Impfung des Klägers und seiner MS-Erkrankung erscheine auch wegen des langen Zeitraums zwischen den ersten vermeintlichen Symptomen und der Impfung extrem unwahrscheinlich. Ferner holte die Berufsgenossenschaft ein Gutachten bei Prof. Dr. M. vom 30. Oktober 2008 nach Aktenlage ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, die MS könne nicht mit der nötigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-A-Impfung am 8. Mai 2001 zurückgeführt werden. Nachdem die Berufsgenossenschaft daraufhin die Anerkennung der Hepatitis-A-Impfung als Arbeitsunfall abgelehnt hatte und auch der Widerspruch hiergegen erfolglos geblieben war, wurde im darauf folgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bremen, Az.: S 29 U 15/09 (anschließend: Landessozialgericht Bremen L 14 U 61/15, Urteil vom 20. Februar 2020) auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. Klaus N. vom 11. November 2010 eingeholt, worin dieser zu dem Ergebnis gelangte, ein Ursachenzusammenhang zwischen der Hepatitis-A-Impfung und der Er...

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