nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Aurich (Entscheidung vom 27.10.1993; Aktenzeichen S 7 V 40/90) |
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Oktober 1993 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente gemäß § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach ihrem 1921 geborenen und im Dezember 1945 verstorbenen Ehemann H. zusteht.
H. war nach der Entlassung aus der Wehrmacht und einer kurzen Zwischenbeschäftigung bei der Stadt Weimar - dem damaligen Wohnort der Eheleute - im Herbst 1945 ohne Beschäftigungsverhältnis. Nach Auskunft der Klägerin hatte er sich zur Aufnahme eines Medizinstudiums beworben, das aber erst im Sommer 1946 beginnen sollte. Die Eheleute verfügten über ein Kraftfahrzeug der Marke Opel. Insoweit ist nicht ganz klar, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang H. mit dem Fahrzeug Fahrten gegen Entgelt vorgenommen hat. Jedenfalls wurde er Mitte Dezember 1945 von einem Regierungsrat I. aus Weimar aufgefordert, ihn, einen sowjetischen Offizier und einen Professor J., der Sachbearbeiter bei der sowjetischen Militäradministration war, zu Betriebsbesichtigungen nach Erfurt und Saalfeld zu fahren. Da nicht alle Besichtigungen erledigt werden konnten, beschloss Prof. J., in Erfurt zu übernachten und die Betriebsbesichtigungen am nächsten Tag fortzusetzen. Er bezog mit dem sowjetischen Offizier Zimmer in einem Erfurter Hotel, das für Angehörige der Besatzungsmacht reserviert war. Für den Ehemann der Klägerin und Regierungsrat I. wurde ein Quartier im Hotel "National" besorgt. Das Kraftfahrzeug wurde im Hof des Hotels abgestellt. Während Regierungsrat I. nach der Ankunft sofort sein Hotelzimmer aufsuchte, verblieb H. bei seinem Kraftfahrzeug. Als Regierungsrat I. nach kurzer Zeit nochmals den Hof des Hotels betrat, sah und hörte er, dass zwei sowjetische Soldaten mit H. verhandelten und von ihm verlangten, sie zu einem nahegelegenen Krankenhaus zu fahren. Hierfür versprachen sie H. sowohl Geld als auch Lebensmittel. Hierüber entspann sich eine längere Diskussion, in deren Verlauf H. auch Rücksprache mit Regierungsrat I. nahm. Dieser riet von der Fahrt ab, worauf H. nach der Stellungnahme des Regierungsrates I. gegenüber dem Amt für Kommunalwesen Weimar vom 26. Februar 1946 sinngemäß erklärte, er habe in der Vergangenheit bereits mehrfach Angehörige der Besatzungstruppen gefahren und sich dabei jeweils ganz gut gestanden. Schließlich folgte H. der Aufforderung der Soldaten, nachdem Regierungsrat I. erklärt hatte, er benötige H. an diesem Abend nicht mehr.
Danach wurde H. von den an der Besichtigungsfahrt beteiligten Personen nicht wieder gesehen. Am folgenden Morgen öffneten auf das Klopfen des Regierungsrates I. an der Tür des für H. vorgesehenen Zimmers in dem Hotel "National" ein oder zwei sowjetische Offiziere bzw. verließen nach der von der Klägerin wiedergegebenen Erklärung des Regierungsrates Uhlmann zwei russische Offiziere dieses Zimmer.
Am Nachmittag des 17. Dezember 1945 wurde H. in der Nähe eines Waldes bei Erfurt von einem Spaziergänger tot aufgefunden. Der zur Leichenbesichtigung hinzugezogene Arzt Dr. K. aus Erfurt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 04. Januar 1946 mit, ob der Tod durch eine Schuss- oder Schlagverletzung verursacht worden sei, habe er wegen der Dämmerung nicht feststellen können. Der Leichenbestatter habe ihm berichtet, zwei Sowjetsoldaten hätten ihren Ehemann ersucht, sie mit dem Pkw zu einem Lazarett zu fahren.
Über die Tötung ihres Ehemannes ist die Klägerin am Abend des 17. Dezember 1945 von Polizisten in Weimar informiert worden. Dabei habe man ihr erklärt, bei der Leiche des H. seien Papiere von sechs bis sieben weiteren getöteten Personen gefunden worden. Dadurch habe sich die Identifizierung verzögert. Das Fahrzeug sei verschwunden - und nach Aussage der Klägerin auch in der Folgezeit nicht wieder aufgetaucht. Den zersägten Ehering des H. habe man bei der Leiche gefunden.
Die Klägerin trägt vor, in der Folgezeit in der sowjetischen Kommandantur in Weimar mit der Bitte um Hilfe bei der Aufklärung vorgesprochen zu haben. Das Gespräch habe damit geendet, dass einer ihrer Gesprächspartner sie mit einer Pistole bedroht habe. Einige Tage später sei ihre Mutter von Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht zum Verhör abgeholt worden. Hierbei habe man von ihr eine Unterschriftsleistung unter ein in russischer Sprache verfasstes Dokument verlangt, dessen Inhalt sie aber nicht habe verstehen können. Daher habe sie die Unterschriftsleistung verweigert.
Nach dem unter dem 29. Dezember 1945 von der Stadt Erfurt ausgestellten Leichenpass ist H. an einer "Quetschung des Hinterkopfes" verstorben.
Unter dem 01. März 1946 erhielt die Klägerin ein Schreiben des Kriminalobersekretärs L. von der Kriminalpolizei Erfurt. Darin heißt es, ihr Ehemann sei in einem Wald bei Erfurt ermordet worden. Er habe einen schweren und harten Schlag auf den Hinte...