Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenberechnung. gewöhnlicher Aufenthalt. Übersiedler. Entgeltpunkte Ost. Umzug
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls ein mehr als einjähriger Aufenthalt in der einzigen zur Verfügung stehenden Unterkunft kann auch dann nicht mehr als ein "nur vorübergehendes Verweilen" iS des § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 angesehen werden, wenn der Betroffene die Unterkunft nur aufgrund behördlicher Anordnung genommen und von vornherein einen schnellstmöglichen Umzug angestrebt hat.
Orientierungssatz
1. Vergleiche BSG vom 9.8.1995 - 13 RJ 59/93 = SozR 3-1200 § 30 Nr 15.
2. Zur Berechnung einer Rente nach dem FRG iVm Art 6 § 4 Abs 6 Buchst b FANG mit Entgeltpunkten (Ost) bei einem Aufenthalt in einem Übersiedlerheim im Beitrittsgebiet und anschließendem Umzug in die alten Bundesländer.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 22. August 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1937 geborene Kläger begehrt eine Neuberechnung der ihm gewährten Altersrente unter Heranziehung der für Versicherungszeiten aus dem alten Bundesgebiet maßgeblichen Entgeltpunkte.
Der einen Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge mit dem Kennzeichen "A" innehabende Kläger reiste mit seiner Familie aus J. kommend im März 1992 über den Flughafen K. in das Bundesgebiet ein und wurde der Landesaufnahmestelle für Aussiedler in L. zugewiesen. Vom 17. März bis 16. April 1992 wurde die Familie in (ehemaligen) Kasernen in L. und nachfolgend vom 16. April 1992 bis zum 24. Juli 1993 in einem 16 qm großen möblierten Zimmer im Übergangswohnheim in M. /L. untergebracht. Dort nahm der Kläger vom 19. Oktober 1992 bis zum 23. April 1993 an einem 732 Stunden umfassenden Lehrgang "Deutsch für Aussiedler" teil. Während des Aufenthalts der Familie in L. lagerten vier Kisten mit Umzugsgut im Grenzdurchgangslager N. in O..
Im August 1993 bezog der Kläger eine Wohnung in P..
Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 sprach die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von anfänglich 988,77 DM zu. Dabei ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger namentlich in Form der nach dem FRG bewerteten ausländischen Zeiten über 26,4418 Entgeltpunkte Ost verfügte, die mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) von monatlich 40,51 DM zu vervielfältigen seien. Lediglich bezogen auf weitere 0,0509 Punkte ging die Beklagte davon aus, dass es sich um sog. Entgeltpunkte West handele, die mit einem Rentenwert (West) von 47,44 DM zu multiplizieren seien.
Am 4. November 1999 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und bat um Überprüfung des Rentenbescheides unter Heranziehung des für Versicherungszeiten im alten Bundesgebiet maßgeblichen Rentenwertes.
Mit Schreiben vom 29. November 1999 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm auf seinen Antrag leider mitteilen müsse, dass es bei der Bewertung nach Entgeltpunkten Ost verbleibe. Er habe mehr als sechs Monate in dem Übergangslager verbracht. Das "Schreiben vom 04. 11. 99" werde als erledigt angesehen.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 bat der Kläger persönlich um nochmalige Überprüfung.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit einem - diesmal förmlich als Bescheid ausgewiesenen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 14. März 2000 erneut mit, dass dem Antrag auf eine Neuberechnung der Rente nach Entgeltpunkten West nicht stattgegeben werden könne. Der Kläger habe sich mehr als sechs Monate in den neuen Bundesländern aufgehalten.
Dagegen legten die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 7. April 2000 Widerspruch ein. Eine Vollmacht war dem Schreiben nicht beigefügt. Anlässlich eines Telefonates am 3. Mai 2000 erklärte der Kläger ausweislich des von der Beklagten verfassten Gesprächsvermerkes, dass er keinen Anwalt beauftragt habe.
Die Beklagte forderte den Anwalt zunächst vergeblich auf, eine Vollmacht vorzulegen. Mit Schreiben vom 13. September 2000 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, ob er dem Anwalt eine Vollmacht erteilen oder davon absehen wolle. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
Anfang Oktober 2000 ging die Beklagte ausweislich eines verwaltungsinternen Vermerks von der Nichteinlegung eines Widerspruchs und damit von der statistischen Erledigung des zunächst angenommenen Widerspruchs aus.
Mit Schreiben vom 25. April 2005 teilte der Anwalt mit, dass er auf seinen Widerspruch vom 7. April 2000 "zurückkomme" und um Überprüfung der Rentenberechnung in mehrfacher Hinsicht bitte. Nunmehr wurde eine Vollmacht des Klägers vorgelegt.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 nahm die Beklagte in mehreren Punkten eine Rentenneuberechnung rückwirkend ab Januar 2001 vor, dabei ging sie von 30,6123 Entgeltpunkten (Ost) und von weiterhin 0,0509 Entgeltpunkten ("West") aus. Der Rentenzahlbetrag betrug nach der Neufestsetzung ab Juli 2005 638,27 €, für den Zeitraum ab Januar 2001 wurde eine Nachzahlung in Höhe von 5.059,09 € be...