Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Änderung oder Weiterentwicklung aufgrund Punktwertverfalls innerhalb eines Honorarkontingents. Verfassungsmäßigkeit der Honorarverteilung auf der Grundlage fachgruppenbezogener Honorarkontingente
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob angesichts des Punktwertverfalls innerhalb eines Honorarkontingents eine Änderung oder Weiterentwicklung des zu Grunde liegenden Honorarverteilungsmaßstabs zu erfolgen hat, kann die Kassenärztliche Vereinigung als dem entgegenstehenden Gesichtspunkt auch berücksichtigen, dass die zum Punktwertverfall führende Leistungsausweitung gleichzeitig zu überproportionalen Mehreinnahmen in einer anderen Sparte (hier: Zuschläge für ambulante Operationsleistungen bei Anästhesisten) geführt hat.
Orientierungssatz
Die Honorarverteilung auf der Grundlage fachgruppenbezogener Honorarkontingente und mit dem Ergebnis unterschiedlicher Punktwerte steht mit höherrangigem Recht in Einklang, insbesondere mit § 85 Abs 4 SGB 5 und dem sich aus Art 12 und 3 Abs 1 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. August 2003 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Beklagten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die als Anästhesistin niedergelassene und an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Klägerin rügt die Höhe des Punktwertes bei der Vergütung von Primärkassenfällen in den Quartalen I/1996 bis I/1997.
Im Bereich der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) galt seit 1991 ein Honorarverteilungsmaßstab (HVM) für Primärkassen (PK), der die - nach Abzug von Vorabvergütungen - bereinigte Gesamtvergütung auf Honorarkontingente für Fachgruppen (im Folgenden: F-Leistungen) aufteilte und verteilte. Die einzelnen Kontingente wurden nach dem ausgezahlten Anteil (in DM) der jeweiligen Fachgruppe an der bereinigten Gesamtvergütung desselben Quartals des Vorjahres - erstmals also des Jahres 1990 - berechnet, der jeweils um die prozentuale Veränderungsrate der bereinigten Gesamtvergütung im Vergleich zu demselben Quartal des Vorjahres verändert wurde. So genannte nichtdynamische Leistungen der Fachgruppe - d. h. solche Leistungen eines Quartals, deren Häufigkeit gegenüber demselben Quartal des Vorjahres um 2,49 % oder weniger gestiegen war - wurden mit einem Punktwert von 9,8 Pfennig vergütet, die übrigen - dynamischen - Leistungen mit einem floatenden Punktwert (restliches Honorarkontingent der Fachgruppe dividiert durch die Punktzahl der Leistungen für dynamische Leistungen). Gleichzeitig wurde ein Interventionspunktwert festgelegt, der ab 1994 75 % der landesdurchschnittlichen Anforderungspunktwerte aller niedersächsischen Kostenträger für bereinigte vertragsärztliche Leistungen betrug. Ab 1996 wurde die Unterscheidung zwischen nichtdynamischen und dynamischen Leistungen aufgegeben und alle F-Leistungen wurden nach einem floatenden Punktwert vergütet.
Nachdem § 85 Abs. 3 a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erstmals für 1993 eine Erhöhung der Gesamtvergütung für die in den Abschnitten B VI und B VII des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführten Zuschläge für Leistungen des ambulanten Operierens sowie die damit verbundenen Operations- und Anästhesieleistungen angeordnet hatte, führte die Beklagte für diese Leistungen (im Folgenden: AO-Leistungen) zunächst ein weiteres Honorarkontingent mit einem für alle Fachgruppen einheitlichen Punktwert ein. Ab 1995 traten an dessen Stelle nach Fachgruppen unterschiedene Kontingente, die nach dem jeweiligen Punktwert für F-Leistungen berechnet wurden, der um einen einheitlichen Aufstockungsbetrag erhöht wurde. Ab dem Quartal I/1997 wurden die AO-Leistungen vor der Verteilung der bereinigten Gesamtvergütung auf die Fachgruppen von der Gesamtvergütung abgezogen und mit einem Mindestpunktwert von 8,0 Pfennig vergütet. Zum Quartal II/1997 wurden die Honorarkontingente für F-Leistungen schließlich neu berechnet, wobei der DM-Betrag, der sich aus der Multiplikation der vergüteten Punktzahlen für F-Leistungen der Fachgruppe desselben Quartals im Jahr 1996 mit dem fachgruppenübergreifenden Durchschnittspunktwert für F-Leistungen desselben Quartals 1996 ergab, um den Prozentsatz der Veränderungsrate der Vergütungen für die Summe der F-Leistungen aller Fachgruppen im laufenden Quartal gegenüber demselben Quartal des Jahres 1996 verändert wurde.
Der für die Anästhesisten im Bereich der Primärkassen errechnete Punktwert für F-Leistungen sank in den Quartalen von I/1991 bis I/1993 kontinuierlich von 8,8609 Pfennig auf 6,6062 Pfennig. Seit dem Quartal II/1993 griff der Interventionspunktwert für die F-Leistungen ein; dieser lag in den Quartalen I bis IV/1995 in einer Höhe zwischen 5,6919 und 6,0544 Pfennig.
Die der Klägerin gegenüber erlassenen Honorarbescheide für die ...