Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten nach Anl 9.1 BMV-Ä. kein einheitlicher Versorgungsauftrag. eigenständige Genehmigung je Betriebsstätte. Ausscheiden eines Vertragsarztes. Weiterführung seiner bereits genehmigten Dialysepraxis. keine Anfechtungsberechtigung der früheren Partner. Klageänderung im Berufungsverfahren bei Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 96 Abs 2 SGG
Leitsatz (amtlich)
Einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) wird kein einheitlicher Versorgungsauftrag zur Behandlung chronisch niereninsuffizienter Patienten erteilt; vielmehr sieht § 4 Abs 1a S 3 Anl 9.1 BMV-Ä vor, dass jeder Betriebsstätte eine eigenständige Genehmigung erteilt wird. Scheidet ein Vertragsarzt mit seiner Betriebsstätte aus der BAG aus, kann er seine bereits genehmigte Dialysepraxis weiterführen, ohne dass seinen früheren Partnern eine Anfechtungsberechtigung hiergegen zusteht.
Orientierungssatz
Eine Umstellung der Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage muss aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch dann möglich sein, wenn - wie hier - Erledigung bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten ist, die Kläger aber den Klageantrag nicht umstellen konnten, weil die Beklagte dem Sozialgericht entgegen § 96 Abs 2 SGG keine Abschrift des erledigenden Verwaltungsakts mitgeteilt und diesen den Klägern auch nicht bekanntgegeben hat.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. September 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Klageverfahrens tragen die Kläger, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 9., die diese selbst tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger und der Beigeladene zu 3. als Gesamtschuldner, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. sowie der Beigeladenen zu 4. bis 9., die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 42.801 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Beigeladenen zu 2. erteilten Genehmigung zur Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten mit Dialyse.
Die Kläger nehmen als Fachärzte für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Nephrologie mit Vertragsarztsitz in R. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie üben ihre Tätigkeit im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit der Genehmigung zur kontinuierlichen Betreuung von Dialysepatienten aus.
Der Beigeladene zu 2. nimmt seit 1998 ebenfalls als Facharzt für Innere Medizin und auf dem Gebiet der Nephrologie an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er übte seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst in Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 3. und Dr. S. am Vertragsarztsitz in T. aus und war ursprünglich nach Maßgabe von Bescheiden der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vom 9. Juni 1998 und 21. März 2000 zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse in der Praxis in T. sowie in den örtlich getrennten Betriebsstätten zur Durchführung zentralisierter Heimdialysen (LC-Zentren) in U. und V. (später: U. und W.) berechtigt.
Nach dem Inkrafttreten der Neufassung der Anl 9.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (≪BMV-Ä≫; sogenannte Dialysevereinbarung) zum 1. Juli 2002 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen zu 2. eine Genehmigung zur Übernahme eines besonderen Versorgungsauftrags nach § 3 Abs 3 S 1 Buchst a Anl 9.1 BMV-Ä. Durch Nebenbestimmungen beschränkte sie den besonderen Versorgungsauftrag auf die “Praxisgemeinschaft„ (gemeint: Gemeinschaftspraxis) mit Dr. S. und dem Beigeladenen zu 3. am Vertragsarztsitz einschließlich der LC-Zentren in U. und W. sowie auf die kontinuierliche Betreuung von bis zu 150 Patienten (Bescheid vom 15. November 2002); inhaltsgleiche Genehmigungen erteilte sie dem Beigeladenen zu 3. und Dr. S..
In der Folgezeit änderte sich wiederholt die Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis; ab Oktober 2004 übten zwei Gemeinschaftspraxen ihre Tätigkeit in Praxisgemeinschaft in T. aus. Die Beklagte passte die den beteiligten Ärzten erteilten Genehmigungen jeweils an die insoweit geänderten Verhältnisse an.
Mit Ausnahme des Beigeladenen zu 2. verlegten die Mitglieder beider Gemeinschaftspraxen zum 1. April 2006 ihren Vertragsarztsitz nach R. (X.). Der Beigeladene zu 2. behielt seinen Vertragsarztsitz in T. und war fortan in überörtlicher Gemeinschaftspraxis (seit dem 1. Januar 2007: BAG) mit dem Kläger zu 1. und dem Beigeladenen zu 3. verbunden, die ihrerseits weiterhin in Praxisgemeinschaft mit der BAG des Klägers zu 2. und Dr. S. tätig war. Die Beklagte passte dementsprechend die Nebenbestimmungen zu den genehmigten Versorgungsaufträgen an (Bescheide vom 30. und 31. Mai 2006).
Auch in den folgenden Jahren änderten sich wiederholt die personellen Verhältnisse...