Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Rechtmäßigkeit des Fingierens der Rücknahme des Widerspruchs bei nicht fristgerechter Entrichtung der Widerspruchsgebühr. Entscheidung über Entziehung der Zulassung. Erforderlichkeit einer Prognoseentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist mit höherrangigem Recht vereinbar, dass § 45 Abs 1 Ärzte-ZV die Rücknahme des Widerspruchs fingiert, wenn der Vertragsarzt die Widerspruchsgebühr nicht fristgerecht entrichtet hat.
2. Die Entziehung der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erfordert die Prognoseentscheidung über die voraussichtliche Dauer der Untätigkeit anhand aller bekannter Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 167.711,99 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1941 geborene Kläger war als Facharzt für Allgemeinmedizin in E. (F.) niedergelassen. Wegen einer schweren Erkrankung beantragte er im Februar 2003 erstmals beim Zulassungsausschuss Hannover das Ruhen seiner vertragsärztlichen Zulassung für die Dauer von einem Jahr. Der Zulassungsausschuss Hannover gab dem Antrag mit Beschluss vom 26. Mai 2003 statt. Das Ruhen der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit wurde für den Zeitraum vom 1. März 2003 bis zum 29. Februar 2004 festgesetzt. Gleichzeitig teilte der Zulassungsausschuss mit, dass eine Verlängerung nicht in Aussicht gestellt werden könne, da ansonsten die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und die Bedarfsplanung verfälscht würden.
Im Januar 2003 hatte der Kläger seine Praxis an die bereits zugelassene Ärztin Dr. G. verkauft und im März 2003 die Praxisräume im H. an sie übergeben. In der Folgezeit zog der Kläger nach I. (Landkreis J.).
Im Februar 2004 stellte der Kläger einen zweiten Ruhensantrag wegen schwerwiegender Erkrankungen für ein weiteres Jahr. Der Zulassungsausschuss Hannover fragte daraufhin beim Kläger an, inwieweit mit einer Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zu rechnen sei, nachdem er die Praxis bereits veräußert und weiterhin eine schwere Erkrankung als Grund für die Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angegeben habe. Der Kläger meldete sich nicht. Der Zulassungsausschuss Hannover lehnte daraufhin den Ruhensantrag mit Beschluss vom 23. Februar 2004 ab.
Mit Schreiben vom 19. März 2004 und vom 1. April 2004 forderte der Zulassungsausschuss Hannover den Kläger auf, auf seine Zulassung zu verzichten. Im zweiten Schreiben kündigte er weiterhin an, dass in der nächsten Sitzung am 10. Mai 2005 beabsichtigt sei, über die Entziehung der Zulassung des Klägers zu entscheiden.
Parallel hatte der Kläger im Ruhensverfahren Widerspruch eingelegt, der mit Beschluss des Beklagten vom 27. April 2005 zurückgewiesen wurde. Dieser ist bestandskräftig geworden.
Nachdem der Kläger zwei Verlegungsanträge wegen ärztlicher Untersuchungen gestellt hatte, denen der Zulassungsausschuss Hannover nachkam, beschloss dieser in seiner Sitzung vom 31. August 2004, dass die Zulassung des Klägers mit sofortiger Wirkung entzogen werde. Ein dritter Verlegungsantrag des Klägers ging am 29. August 2004 um 21:14 Uhr per Fax und erst nach der Sitzung des Zulassungsausschusses Hannover am 2. September 2004 per Post ein. Der Zulassungsausschuss Hannover begründete seinen Beschluss damit, dass er gemäß § 27 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) i.V.m. § 95 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) die Zulassung mit sofortiger Wirkung entziehen müsse. Danach läge ein Entziehungstatbestand dann vor, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübe. Dieses sei vorliegend gegeben, da der Kläger seine Niederlassung am Vertragsarztsitz mit der Praxisübergabe an eine Nachfolgerin am 1. März 2003 aufgegeben und seine vertragsärztliche Tätigkeit auch nach Ablauf der auf den 29. Februar 2004 festgesetzten Ruhenszeit nicht wieder aufgenommen habe. Der Zulassungsausschuss habe diesen Beschluss im Interesse der Rechtssicherheit gefasst, auch wenn einiges dafür spreche, dass der vorgenannte Sachverhalt bereits den Tatbestand des “Wegzuges„ i.S.d. § 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V erfülle, was bereits von Gesetzes wegen zur Beendigung der Vertragsarztzulassung führe.
Der Kläger legte am 2. Januar 2005 gegen den Beschluss vom 31. August 2004, der am 1. Dezember 2004 zugestellt worden war, Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass ihm kein Gehör gewährt worden sei, obwohl er ab Oktober an einer mündlichen Verhandlung hätte teilnehmen können. Auch sei der Beschluss mit einer erheblichen Zeitverzögerung zugestellt worden. Aufgrund der verstrichenen Zeit zwischen Beschlussfassu...