Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufstocker. Antrag auf Arbeitslosengeld nach SGB 3 umfasst nicht den Antrag auf Arbeitslosengeld II. keine rückwirkende Leistungsgewährung
Leitsatz (amtlich)
In einer Antragstellung auf Arbeitslosengeld I ist jedenfalls insoweit keine - zugleich inzident erfolgte - Antragstellung auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 zu erblicken, als es um Leistungsansprüche von anderen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft, insbesondere von Familienangehörigen des Antragstellers, geht.
Orientierungssatz
Gem § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 idF vom 24.12.2003 können Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht werden. Ein Antrag auf Arbeitslosengeld bzw eine Arbeitslosmeldung nach SGB 3 umfasst - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht den Antrag nach § 37 SGB 2.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger, ein Ehepaar mit zwei 2002 und 2005 geborenen Kindern, begehren die Bewilligung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 8. Februar 2009. Hintergrund ist, dass der bis zum 31. Dezember 2008 als Eisenflechter erwerbstätige Kläger zu 1., dem von seinem Arbeitgeber am 15. Dezember 2008 zum 31. Dezember 2008 gekündigt worden war, sich am 22. Dezember 2008 arbeitssuchend gemeldet hatte und in diesem Zusammenhang bereits vor dem 1. Januar 2009 einen Antrag auf Arbeitslosengeld I gestellt hatte, einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II aber erst nachfolgend am 9. Februar 2009 stellte, nachdem festgestellt war, dass das ihm bewilligte Arbeitslosengeld I für die Deckung des Bedarfs der Kläger nicht ausreichte.
Am 9. Februar 2009 ging bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten der streitgegenständliche Leistungsantrag der Kläger ein, der oben links in der Rubrik "Tag der Antragstellung" den handschriftlichen Vermerk "22.12.08" trägt. Vorgelegt wurde ferner ein Mietvertrag vom 28. Juni 2008, wonach der Kläger zu 1. das Objekt zu einem Mietzins i. H. v. 570,00 € von M. - wohnhaft unter gleicher Anschrift - gemietet hatte. Über die im Jahre 2008 erfolgten Mietzahlungen legten die Kläger Quittungen vor. Der Leistungsfall der Kläger war in vorausgegangenen Zeiten zeitweise durch die vormalige Eigentümerstellung des Klägers zu 1. in Bezug auf die von den Klägern bewohnte Doppelhaushälfte geprägt gewesen; aufgrund des Umstandes, dass das Haus nicht als "angemessenes Hausgrundstück" i. S. des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II angesehen wurde, hatte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Klägern auf ihren erstmaligen Leistungsantrag im Jahre 2006 - wie auch nachfolgend - lediglich darlehensweise Leistungen bewilligt. Das Eigentum am Grundstück wurde im Jahr 2008 auf Herrn M. übertragen, der Kaufpreis aufgrund eines im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses gewährten Darlehens verrechnet, sodass eine Zahlung an den Kläger zu 1. nicht erfolgte.
Bei den Angaben zu den Einkünften in dem am 19. Februar 2009 eingegangenen ausgefüllten Antragsvordruck blieb die Rubrik für den Bezug von Arbeitslosengeld I zwar unausgefüllt, der Kläger zu 1. legte aber eine Zweitschrift eines Änderungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Februar 2009 vor, wonach er laufend Arbeitslosengeld I bezog, das ihm jedoch wegen Meldeversäumnisses für die Zeit vom 4. bis zum 10. Februar 2009 mit diesem Änderungsbescheid vom 13. Februar 2009 entzogen worden war. Weiterhin teilte der Kläger in einer von ihm auf den 6. März "2008" (gemeint sein dürfte 2009) datierten Erklärung mit, er habe zurzeit keine Arbeit, und das Arbeitslosengeld I reiche bei weitem nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts für ihn und seine Familie. Bis zum 31. Dezember 2008 habe er regelmäßiges Einkommen durch seine Arbeit gehabt, das jedoch ebenfalls nicht ausgereicht habe, um die ganze Familie zu versorgen; er habe oft Freunde und Familie um Geld bitten müssen, was er bislang nicht zurück gezahlt habe.
In einem Gespräch am 10. März 2009 teilte der Kläger mit, dass er den Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht am 22. Dezember 2008 ausgehändigt bekommen habe, sondern dass dieser ihm am 9. Februar "2008" (gemeint sein dürfte 2009) von Herrn N. in der Eingangszone der Rechtsvorgängerin des Beklagten ausgehändigt worden sei. Es sei somit nicht nachvollziehbar, woher das eingetragene Datum stamme.
Hinsichtlich des Erlöses aus dem Hausverkauf wurde in der gleichen Gesprächsnotiz vermerkt, ein Betrag i. H. v. 102.600,00 € sei als Schulden nachgewiesen worden. Der ausstehende Betrag i. H. v. 67.400,00 € sei nicht nachgewiesen. In der Folgezeit führten die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin des Beklagten weitere Ermittlungen im Hinblick...