Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. keine Nachholung einer rechtmäßigen Entscheidung über Praxisnachfolge bei Verzicht des ursprünglichen Praxisinhabers vor sechs Jahren. Zulassungskonkurrent. Beantragung. vorläufiger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nachholung einer rechtmäßigen Entscheidung über eine Praxisnachfolge gem § 103 Abs 4 und 6 SGB 5 ist nicht mehr möglich, wenn seit dem Verzicht des ursprünglichen Praxisinhabers sechs Jahre vergangen sind und sich die Struktur der Praxis seitdem grundlegend geändert hat.
2. Um derartige Veränderungen und dadurch verursachte Einschränkungen des effektiven Rechtsschutzes zu verhindern, ist einem Zulassungskonkurrenten die Möglichkeit der Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes eröffnet.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1-8 und 12, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 244.259,94 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einer formal genehmigten Gemeinschaftspraxis. Der Kläger wendet sich gegen die Zulassung des Beigeladenen zu 10) und begehrt an dessen Stelle im Wege der Praxisnachfolge des Beigeladenen zu 9) als Facharzt für diagnostische Radiologie in Soltau zugelassen zu werden.
Der Kläger ist Facharzt für radiologische Diagnostik und Strahlentherapie und übt seine vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis mit dem Radiologen Dr. I. in J. und zusätzlich in einem ausgelagerten Praxisteil in K. aus. Der streitbefangene Vertragsarztsitz liegt im Planungsbereich L., der für das Fachgebiet Radiologie mit 190,8 % gesperrt ist (Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 7. Januar 2004).
Dort führte der Beigeladene zu 9) eine radiologische Praxis in M., N.. Von Oktober 1996 bis März 2001 war der Beigeladene zu 11) - ebenfalls Facharzt für Radiologie - bei dem Beigeladenen zu 9) beschäftigt - ganz überwiegend in einem ausgelagerten Praxisteil für CT-Untersuchungen am O. in M., P. -, wobei die Praxis nach außen in Gestalt einer (genehmigten) Gemeinschaftspraxis geführt wurde (vgl hierzu die Entscheidung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R) . In Wirklichkeit wurde die Praxis von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gelenkt, die aus dem Kläger, dem Beigeladenen zu 9) und Dr. I. bestand. Diese GbR wurde wegen erheblicher Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Ärzten zum 31. Dezember 2001 beendet; ein zivilprozessuales Verfahren schloss sich an.
Zum 1. April 2001 hatte der Beigeladene zu 11) die CT-Untersuchungsstelle am P. erworben, die bis dahin im Eigentum des Klägers, des Beigeladenen zu 9) und Dr. Q. gestanden hatte; er führte diese als Einzelpraxis fort. Der Beigeladene zu 9) führte seine Einzelpraxis in den Räumen R. fort. Bereits im Jahr 2002 ließ er seinen Vertragsarztsitz zur Nachfolge ausschreiben. Schon damals bewarb sich der Kläger mit Nachdruck um die Praxisnachfolge, wurde aber vom Beigeladenen zu 9) abgelehnt. Im Rahmen des im Ausschreibungsverfahren geführten Briefwechsels wurden erhebliche Spannungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 9) deutlich. Bereits damals war der Beigeladene zu 9) an einer Praxisnachfolge durch den Beigeladenen zu 10) interessiert (Schreiben vom 19. November 2002).
Mit Beschluss vom 3. September 2003 genehmigte der Zulassungsausschuss J. die Ausübung der gemeinschaftlichen vertragsärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 9) und 11) mit Praxissitz in der S.. Im Vorfeld war der maßgebliche Gemeinschaftspraxisvertrag sowohl vom Justiziar der Ärztekammer als auch von der Rechtsabteilung der Beigeladenen zu 1) eingehend geprüft worden. Der Beschlussfassung lag der Gesellschaftsvertrag (Sozietätsvertrag) vom 27. August 2003 zugrunde. Nach dessen § 5 Abs 1 blieb das jeweilige Vermögen der von den Gesellschaftern bis 30. Juni 2003 betriebenen Einzelpraxen Sondervermögen des jeweiligen Gesellschafters und wurde der Gesellschaft zur unentgeltlichen Nutzung überlassen. Sämtliche Gegenstände waren für jeden Gesellschafter getrennt in einer Liste zu führen, die dem Vertrag als Anl 1 beigefügt war. Die Liste war laufend zu aktualisieren. Nach § 9 blieben die Verteilung von Vorab- und Restgewinn einem Gesellschafterbeschluss vorbehalten. Nach § 9 Abs 3 hatten die Gesellschafter bei der Beschlussfassung das jeweilige in die Gesellschaft eingebrachte Sonderbetriebsvermögen zu berücksichtigen, ebenfalls die von den Gesellschaftern erbrachten Leistungen. Zu diesem Zweck wurden die von jedem Gesellschafter erbrachten und abgerechneten Leistungen gesondert erfasst und waren dann Maßstab für die Verteilung des Gewinns bzw der Verluste.
Im Briefkopf trat die genehmigte radiologische Gemeins...