Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten. keine Befugnis zum Erlass eines Feststellungsbescheides über die Ersatzpflicht dem Grunde nach. sozialwidriges Verhalten bei Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund einer Straftat, die mit einem Betriebsmittel während der Arbeitszeit begangen wird
Leitsatz (amtlich)
1. Das Jobcenter ist auf der Grundlage von § 34 SGB II nicht befugt, einen Feststellungsbescheid über die Ersatzpflicht dem Grunde nach zu erteilen.
2. Die Begehung einer Straftat mit einem Betriebsmittel während der Arbeitszeit ist als sozialwidrig iS des § 34 SGB II anzusehen.
Orientierungssatz
Soweit das beschriebene Verhalten des Arbeitsuchenden bereits zu einer Sanktion gemäß § 31 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 geführt hat, schließt dies die Geltendmachung eines an dasselbe Verhalten anknüpfenden Ersatzanspruchs nach § 34 SGB 2 nicht aus (vgl BSG vom 8.2.2017 - B 14 AS 3/16 R = SozR 4-4200 § 34 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 10. Februar 2017 aufgehoben, soweit der Bescheid des Beklagten vom 10. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2015 aufgehoben worden ist. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Beklagte unterlegen ist.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger zum Ersatz in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. Juni 2015 gezahlter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verpflichtet ist.
Der 1969 geborene, alleinstehende Kläger stand bei dem Beklagten im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Im August 2013 nahm er eine Beschäftigung als Taxifahrer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden auf und schied aus dem Leistungsbezug aus. Nachdem der Kläger während der Arbeitszeit mit Hilfe des ihm zur Verfügung gestellten Taxis Mobiliar aus einem Biergarten entwendet hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 7. Juli 2014 fristlos. Am selben Tag stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, worauf ihm Arbeitslosengeld II für die Bewilligungszeiträume vom 1. Juli bis 31. Dezember 2014 und 1. Januar bis 30. Juni 2015 gewährt wurde, welches sich zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt 7.846,78 € belief. Das zum Verlust des Arbeitsplatzes führende Verhalten des Klägers wurde mit einer Minderung des Regelbedarfs von 30 % für die Dauer von drei Monaten sanktioniert.
Nach vorheriger Anhörung erteilte der Beklagte einen Bescheid vom 18. November 2014, mit dem er feststellte, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II grob fahrlässig herbeigeführt habe und er gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet sei. Umfang und Höhe der zu ersetzenden Leistungen würden in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt. Den hiergegen unter Hinweis auf die bereits erfolgte Sanktionierung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2015 als unbegründet zurück. Eine Klage erhob der Kläger nicht.
Mit einem weiteren, ohne gesonderte Anhörung erteilten Bescheid vom 10. September 2015 zog der Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom 18. November 2014 festgestellte Ersatzpflicht zum Ersatz der in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. Juni 2015 gezahlten Leistungen einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7.846,78 € heran. Der Kläger habe die Zahlung dieser Leistungen herbeigeführt, da ohne sein Verhalten das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden wäre und er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Einkünfte erzielt hätte, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen hätten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Die Ersatzpflicht dem Grunde nach sei bereits mit Bescheid vom 18. November 2014 bestandskräftig festgestellt worden. Von der danach bestehenden Ersatzpflicht seien die gezahlten SGB II-Leistungen umfasst, die kausal auf das schuldhafte Verhalten des Ersatzpflichtigen zurückzuführen seien. Dies seien hier die in der Zeit von Juli 2014 bis Juni 2015 gewährten Leistungen. Eine höhenmäßige Begrenzung sehe § 34 SGB II nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 22. Januar 2016 Klage erhoben.
Hinsichtlich des Feststellungsbescheides vom 18. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2015 stellte er mit einem am 1. März 2016 eingegangenen anwaltlichen Schreiben einen Überprüfungsantrag, welcher mit Bescheid vom 10. Mai 2016 in der Gestalt des Wid...