Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erwerbseinkommen und Arbeitslosengeldbezug. Absetzung des Grundfreibetrages in Höhe von 100 Euro nur vom Erwerbseinkommen. Sperrwirkung. Zulässigkeit der Aufrechnung
Orientierungssatz
1. Bezieht ein Hilfebedürftiger neben Arbeitslosengeld auch Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, welches aber den Betrag von 100 Euro monatlich nicht erreicht, so kann der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 S 2 SGB 2 aF nur vom Erwerbseinkommen und der ungenutzte Restfreibetrag nicht zusätzlich von dem sonstigen Einkommen abgesetzt werden.
2. Die Grundfreibetragsregelung des § 11 Abs 2 S 2 SGB 2 entfaltet darüber hinaus eine relative Sperrwirkung dahingehend, als Aufwendungen nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2 aF von dem sonstigen Einkommen nur dann zusätzlich abgesetzt werden können, soweit sie konkret entstanden und nicht bereits in die 100-Euro-Pauschale eingeflossen sind, also den Pauschbetrag von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 AlgIIV 2008) übersteigen.
3. Der Begriff des grob fahrlässigen "Veranlassens" eines Erstattungsanspruch iS des § 43 S 1 SGB 2 aF ist nicht so auszulegen, dass nur ein aktives Tun diese Voraussetzung erfüllen kann. Auch ein grob fahrlässiges Unterlassen, wie hier die fehlende Mitteilung von Einkommen, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Norm.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. August 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten, der wegen eines verschwiegenen Einkommenszuflusses erging, sowie eine von diesem verfügte Aufrechnung mit Leistungen in laufendem Bewilligungszeitraum.
Der am 8. Juli 1956 geborene und alleinstehende Kläger erhält von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II.
Am 10. März 2009 hat er einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II gestellt. Im Antrag hat er eine Erwerbstätigkeit als Pizzaauslieferungsfahrer angegeben, aus der er ein Einkommen in Höhe von 50,00 € monatlich erzielt hat. Weiter hat er in diesem Antrag angegeben, Arbeitslosengeld I (Alg I) bis Mitte März 2009 zu beziehen. In der Anlage hat er einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 12. März 2008 beigefügt. Hierin wurde der Bezug von Alg I vom 21. Dezember 2007 bis zum 19. März 2009 in Höhe von monatlich 775,50 € ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 10. März 2009 hat die Bundesagentur für Arbeit unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2008 eine Einstellung des Alg I ab dem 9. März 2009 aufgrund einer Erkrankung des Klägers vorgenommen. Die Fortzahlung erfolge im Zeitraum vom 4. bis zum 13. Mai 2009. Diesen Bescheid hat der Kläger dem Beklagten nicht vorgelegt.
Mit Bescheid vom 16. März 2009 hat der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von März bis August 2009 bewilligt. Hierbei hat er im Monat März ein Einkommen aus Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 491,15 € in die Bedarfsberechnung eingestellt. Weitere Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit als Pizzaauslieferungsfahrer wurden in diesem Monat nicht eingestellt. Eine Einkommensbereinigung um 30,00 € hat der Beklagte vorgenommen. Insgesamt hat der Beklagte dem Kläger für den Monat März 291,82 € bewilligt. Für die Monate April bis August hat der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 788,37 € bewilligt. Für diesen Zeitraum hat er Einkünfte aus der Tätigkeit als Pizzaauslieferungsfahrer in Höhe von 50,00 € monatlich berücksichtigt, die sich infolge einer Einkommensbereinigung um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € sowie eines Abzuges von Freibeträgen in Höhe von 20,00 € nicht bedarfsmindernd ausgewirkt haben. Mit einem ersten Änderungsbescheid hat der Beklagte die Leistungen für die Monate Juli und August 2009 geändert. Diesen Bescheid hat er mit Bescheid vom 6. Mai 2010 bezüglich des Abzuges für eine Warmwasserpauschale im gesamten Bewilligungszeitraum geändert.
Mit Bescheiden vom 7. und 14. Mai 2009 hat die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger Alg I-Leistungen für den Zeitraum vom 4. bis zum 13. Mai 2009 in Höhe von 258,50 € bewilligt. Diese Einnahme hat der Kläger dem Beklagten ebenfalls nicht mitgeteilt.
Infolge eines Datenabgleiches vom 14. Oktober 2009 hat der Beklagte Kenntnis von dem Alg I-Bezug des Klägers in dem Zeitraum vom 4. bis zum 13. Mai 2009 erhalten. Er hat den Kläger sodann mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 über eine beabsichtigte Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2009 angehört. Es sei eine Rückforderung in Höhe von 258,50 € beabsichtigt.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2010 hat der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 4. bis zum 13. Mai 2009 in Höhe von 258,50 € gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufgehoben und gemäß § 50 SGB X 258,50 € von dem Kläger zurückgefordert. Ferner hat er gemäß § 43 SGB II eine Aufrechnung mi...