Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Gewährung von Förderungsleistungen für das Betreiben eines Börsenhandels. Erwerbstätigkeit. Gewerbebetrieb. Private Vermögensverwaltung. Spekulation auf eigene Rechnung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 1 Abs. 2 SGB 2 sind alle Leistungssysteme des SGB 2 darauf ausgerichtet, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestehende Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Nicht erwerbstätig ist, wer ohne Bezug zum allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich private Vermögensverwaltung betreibt und gfs. daraus Einkünfte erzielt, z. B. durch Zinsertrag oder Veräußerungsgewinne.

2. Die Anlage eigener Vermögenswerte durch den Hilfebedürftigen mittels Investition in Wertpapiere sowie Reinvestition von Veräußerungsgewinnen führt weder zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses noch zu einem Gewerbebetrieb. Wesentliches Indiz für ein gewerbliches Handeln ist das Tätigwerden für andere, insbesondere für fremde Rechnung. Eine auf eigene Rechnung beabsichtigte Tätigkeit des Börsenhandels stellt kein gewerbliches Handeln, sondern eine nicht förderungsfähige private Vermögensverwaltung dar.

3. Die Gewährung einer Leistung zur Eingliederung nach § 16f SGB 2 ist damit ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB II § 1 Abs. 2 Sätze 2, 4 Nr. 1, § 8

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.04.2017; Aktenzeichen B 4 AS 9/17 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. September 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über vom Kläger begehrte Förderungsleistungen.

Der 1957 geborene Kläger steht beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.

Im Jahr 2006 beantragte der Kläger einen Kredit in Höhe von EUR 60.000,00 für ein beabsichtigtes Geschäft mit dem Handel von Indexderivaten an der Terminbörse, den der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2007 und Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2008 ablehnte. Nach einer beim Sozialgericht Hannover (SG) hiergegen erfolgten Klagerhebung zum dortigen Aktenzeichen S 47 AS 677/08 vereinbarten die Beteiligten in einem am 2. Dezember 2009 geschlossenen gerichtlichen Vergleich eine erneute Antragsbescheidung vor dem Hintergrund der ab 1. Januar 2009 geltenden neuen Rechtslage unter Zuhilfenahme der Industrie und Handelskammer (IHK) als sachkundiger Stelle.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2010 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen in Form der Übernahme einer Bürgschaft bzw. der Gewährung eines Darlehens ab. Nach einer vorliegenden Stellungnahme der IHK vom 27. April 2010 sei es  annähernd unmöglich, von einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit für hochspekulative Börsengeschäfte auszugehen, da es in der Natur der Sache liege, dass diese Geschäfte mit hohen Ausfallwahrscheinlichkeiten verbunden seien.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2010 zurück. Die Voraussetzungen für eine Förderung gemäß § 16c Abs. 1 SGB II lägen nicht vor, weil die wirtschaftliche Tragfähigkeit des vom Kläger beabsichtigten Geschäfts als notwendige Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung nach der eingeholten Beurteilung der IHK nicht gegeben sei. Weiterhin könne gemäß § 16c Abs. 2 SGB II auch bei Annahme einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit nur die Beschaffung angemessener und notwendiger Sachgüter durch Darlehen gefördert werden, wobei diese Hilfe zur Selbsthilfe EUR 5.000,00 nicht überschreiten solle. Bei der Gewährung eines Darlehens bzw. einer Bürgschaft in Höhe von EUR 60.000,00 für die Beschaffung von Derivaten handele es sich nicht um die Beschaffung von Sachgütern.

Die hiergegen beim SG unter dem dortigen Aktenzeichen S 47 AS 2373/10 geführte Klage hat das SG nach Einholung einer Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 4. Februar 2011 mit Urteil vom 27. Februar 2012 abgewiesen. Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen erforderten die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die auf einen berufsmäßigen Erwerb mit Außenwirkung gerichtet sei. Der Kläger beabsichtige aber einen Handel mit Derivaten ausschließlich für sich selbst. Darüber hinaus würden Leistungen nur für die Beschaffung von Sachgütern in Betracht kommen. Die Bezuschussung von Dienstleistungen oder Grundkapital sei nicht vorgesehen. Auch eine Prognose für die Tragfähigkeit der Existenzgründung könne nicht abgegeben werden.

Die vom Kläger im März 2012 gegen dieses Urteil des SG eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in dem zum dortigen Aktenzeichen L 6 AS 402/12 geführten Berufungsverfahren mit Beschluss vom 4. Juni 2014 gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtgesetz (SGG) zurückgewiesen und dazu ausgeführt:

“Die vom Kläger umfangreich und im Einzelnen mit fachkundigem Anschein dargelegten Ausführungen besagen im Ergebnis nicht...

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