Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Notwendigkeit eines elektrischen Rollstuhlzuggeräts. verbesserte Bedienweise und deren Auswirkung auf die Krankheit. über die allgemeine Notwendigkeit hinausgehendes konkretes medizinisches Bedürfnis bei Erschließung des Nahbereichs
Orientierungssatz
1. Zur Notwendigkeit einer Hilfsmittelversorgung mit einem elektrischen Rollstuhlzuggerät.
2. Durch eine verbesserte Bedienweise und deren Auswirkungen auf die Krankheit (hier: Rhizarthrose) liegt ein über die allgemeine Notwendigkeit der Rollstuhlnutzung hinausgehendes konkretes medizinisches Bedürfnis für die Versorgung mit einem elektrischen Rollstuhlzuggerät bei Erschließung des Nahbereichs vor.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 18.11.2020 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2018 verurteilt, den Kläger mit einem Rollstuhlzuggerät mit elektrischer Unterstützung (entsprechend dem Modell im Kostenvoranschlag vom 12.11.2015 der Firma J. GmbH aus K.) zu versorgen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Hilfsmittelversorgung mit einem elektrischen Rollstuhlzuggerät.
Der im Jahre 1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nach einem Pkw-Unfall im Jahre 1989 leidet der Kläger an den Folgen einer Querschnittslähmung und bezieht eine Teilerwerbsminderungsrente. Zur Fortbewegung ist der am Stadtrand von L. lebende Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen. Bisher ist der Kläger mit einem leichten Aktivrollstuhl versorgt, den er selbstständig in seinen Pkw verladen kann. Auf diese Weise gelangt er auch zu seinem Teilzeitarbeitsplatz als Berater für Rehabilitationsleistungen in einem Sanitätshaus. Aufgrund einer diagnostizierten Rizarthrose leidet der Kläger zudem an seit mehreren Jahren fortschreitenden Belastungsschmerzen in den Daumensattelgelenken, vor allem im Bereich der linken Hand.
Mit Verordnung vom 27.04.2017 verordneten die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. M. und N. (L.) dem Kläger eine „elektrische Zughilfe mit Hilfskurbel Stricker Neodrive zur Sicherung der Mobilität“. Im Auftrage des Klägers übermittelte die Firma „K. & G. GmbH“ auf elektronischem Wege am 09.07.2017 einen Versorgungsvorschlag samt Erprobungsbericht für das Produkt „Stricker neodrive 20 Zoll-Bereifung mit 24-Gang-Schaltung“. Am 23.05.2017 ging zudem ein Kostenvoranschlag der Fa. „J. GmbH“ vom 12.05.2017 (vgl. Blatt 4 der Verwaltungsakte der Beklagten) über das vorgeschlagene elektrische Zuggerät in Höhe eines Gesamtbetrages von 6.596,29 € inklusive Umsatzsteuer und enthaltener gesetzlicher Zuzahlung (10 €) bei der Beklagten ein.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 24.05.2017 mit, dass sie zur Prüfung des Versorgungsantrages den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK; ab 01.06.2021: MD) eingeschaltet habe. Zugleich übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen, den der Kläger am 30.05.2017 ausgefüllt und unterzeichnet an die Beklagte zurücksandte (vgl. Blatt 13-15 der Verwaltungsakte der Beklagten). Bei der Frage nach Einschränkungen gab der Kläger an, dass er unter einer Arthrose beider Daumensattelgelenke leide und deshalb einen Elektrozusatzbetrieb benötige, um Wegstrecken und Steigungen bewältigen zu können. Nach dem Zweck der Fahrten mit Elektroantrieb befragt gab der Kläger an, dass zum einen sportliche Betätigung in der Freizeit (Konditionsaufbau) bezweckt sei und er zum anderen die Fahrten zu kleineren Einkäufen oder gemeinsam mit Fahrradfahrern unternehmen wolle. Zu den örtlichen Gegebenheiten gab der Kläger an, dass er in einer ländlichen Gegend mit idealer Anbindung an einen Radfahrerweg lebe. Im Hinblick auf die Gründe, warum ein Elektroantrieb notwendig sei und eine Versorgung mit einem Elektrorollstuhl bzw. Elektromobil nicht möglich sei, führte der Kläger auf dem Fragebogen aus, dass für ihn als aktivem Rollstuhlfahrer ein E-Rollstuhl/E-Mobil nicht infrage komme, da er sich sportlich betätigen und mit Freunden zusammen auch längere Radtouren bewerkstelligen möchte. Ohne einen Elektrozusatzantrieb seien diese Wegstrecken und Steigungen für ihn nicht zu bewältigen.
In einem persönlichen Begleitschreiben vom 30.05.2017 wies der Kläger auf die Arthrose in beiden Daumengelenken hin. Ferner wies er nochmals darauf hin, dass ein elektrischer Zusatzantrieb für seinen Rollstuhl unerlässlich sei, da er mit seiner Frau und Freunden auch weitere Touren unternehmen wolle, um etwas für seine Gesundheit zu tun.
Der MDK kam in seiner Stellungnahme vom 27.06.2017 zu dem Ergebnis, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für das begehrte elektrische Zuggerät nicht gegeben seien. Zur Bewegung im Nahbereich sei...