Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Rechtskraft
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtskraft von Bescheidungsurteilen erstreckt sich auch auf die in den Urteilsgründen genannten Punkte, die der Beklagte als "Rechtsauffassung des Gerichts" beachten muss. Dies gilt auch für Urteile gegen den Beschwerdeausschuss im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der vertragsärztlichen Versorgung. Wird der daraufhin vom Beschwerdeausschuss erlassene neue Bescheid Gegenstand eines erneuten Klageverfahrens, hat dies zur Folge, dass das Gericht die Einwände des Vertragsarztes, die bereits Gegenstand des ersten Verfahrens waren, nicht erneut prüfen darf.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. September 2002 wird geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 7. August 2000 wird aufgehoben, soweit er das Quartal IV/1994 betrifft.
Insoweit wird der Beklagte verpflichtet, erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 3. Juni 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat 4/5 der Kosten des Beklagten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Der Beklagte hat 1/5 der Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Regressen wegen unwirtschaftlicher Arzneimittel-Verordnungsweise.
Die Klägerin betreibt eine chirurgische Gemeinschaftspraxis, deren Mitglieder 1994 die Ärztinnen für Chirurgie Dr. E. und Dr. F. waren. Dr. G. führte 1994 die Zusatzbezeichnung “Sportmedizin„ und war als Durchgangsärztin tätig; Dr. H. führte die Schwerpunktbezeichnung “Unfallchirurgie„ und die Zusatzbezeichnung “Chiropraktik„. Später erwarben beide Ärztinnen noch die Zusatzbezeichnung “Phlebologie„, Dr. H. außerdem die Zusatzbezeichnungen “Schmerztherapie„ und “Sportmedizin„.
Der Gemeinsame Prüfungsausschuss Primärkassen und Ersatzkassen setzte nach einer Prüfung der Verordnungsweise im Quartal I/94 im Bereich der Ersatzkassenpatienten mit Bescheid vom 9. Mai 1995 gegen die Klägerin einen Arzneikostenregress in Höhe von 19.045,20 DM fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Ärztinnen den gewichteten Fachgruppendurchschnitt der Fachärzte für Chirurgie in Niedersachsen um 197,11 % überschritten. Als Praxisbesonderheit wurden Krampfaderoperationen und der damit einhergehende Verbrauch von blutverdünnenden und abschwellenden sowie schmerzstillenden Medikamenten anerkannt; dieser werde mit einer verbliebenen Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts von 100 % Rechnung getragen.
Im Hinblick auf die Verordnungsweise im Bereich der Ersatzkassen setzte der Prüfungsausschuss mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung für das Quartal II/94 einen Arzneikostenregress von 16.557,09 DM fest. In dem entsprechenden Bescheid vom 23. August 1995 wurde eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 186,53 % festgestellt. Für das Quartal III/94 betrug der mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 festgesetzte Regress 4.121,60 DM bei einer Überschreitung des gewichteten Fachgruppendurchschnitts der Fachärzte für Chirurgie um 127,28 %. Schließlich wurde mit Bescheid vom 3. Juni 1996 ein Regress von 4.578,24 DM für das Quartal IV/94 festgesetzt, für das eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 127,66 % festgestellt worden war.
Hiergegen legten die Ärztinnen jeweils Widerspruch ein, zu deren Begründung sie sich im Wesentlichen auf das Vorliegen verschiedener Praxisbesonderheiten beriefen. Als solche seien ihre chiropraktische Tätigkeit zu berücksichtigen, die im Rahmen ihrer Tagesklinik durchgeführten Infusionsbehandlungen, ihre phlebologische Tätigkeit, die Behandlung von Polyneuropathie-Patienten mit Alpha-Lipon-Säure, ein erhöhter Anteil von Frauen mit daraus resultierender Häufigkeit von Osteoporose-Behandlungen und eine Vielzahl von ambulanten Operationen.
Der Prüfungsausschuss half den Widersprüchen (mit Bescheid vom 11. Juni 1996) insoweit ab, als der Regress für das 1. Quartal 1994 auf 2.942,24 DM und der für das Quartal II/94 auf 11.843,58 DM reduziert wurde. Grundlage hierfür waren Differenzen zwischen den Verordnungsstatistiken der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses und der Ersatzkassen. Der Prüfungsausschuss legte seinem Bescheid die für die Klägerin günstigeren Zahlen seiner Geschäftsstelle zugrunde, die für das Quartal I/94 Arzneikosten in Höhe von 40.477,75 DM bei 1.136 Behandlungsfällen und damit einen Fallwert von 35,63 DM ergaben, der 115,68 % über dem gewichteten Fachgruppendurchschnitt von 16,52 DM lag. Für das Quartal II/94 errechnete er Kosten von 45,137,93 DM bei 1.038 Behandlungsfällen und damit einen Fallwert von 43,49 DM, der den gewichteten Fachgruppendurchschnitt von 16,04 DM um 171,13 % überschritt. Im Übrigen wurden die Widersprüche für die Quartale I-III/94 mit Bescheid des Beklagten vom ...