Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Vertrag nach § 112 SGB 5. Zahlungspflicht der Krankenkasse auch bei Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Abrechnung. Schutz des Krankenhauses vor Liquiditätsengpässen. Erfüllung der Forderung auch bei Zahlung unter Vorbehalt. Erledigung der Klage
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Zahlungsanspruch des Krankenhauses nach § 13 des Niedersächsischen Sicherstellungsvertrages.
2. Der Senat teilt nicht die Ansicht der beklagten Krankenkasse, es reiche bereits grundsätzlich schon aus, dass sie ihre (Vorleistungs-)Pflicht (auch unsubstantiiert) bestreite, sofern dies nicht rechtmissbräuchlich geschehe, insbesondere im Falle begründeter Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Forderung dürfe sie die Zahlung verweigern, wobei es ausreiche, dass sie die Begründung erst im gerichtlichen Verfahren substantiiere.
3. Die Regelungen des Sicherstellungsvertrages sollen die Krankenhäuser vor Liquiditätsengpässen schützen und damit die Krankenhausversorgung der Versicherten sicherstellen. Diesem Schutzgedanken würde es widersprechen, den Krankenkassen (oder dem einzelnen mit Kodier- und Abrechnungsfragen betrauten DRG-Manager) die alleinige Deutungshoheit über die Richtigkeit einer Krankenhausrechnung und damit die Berechtigung zur Zahlungsverweigerung von Anfang an zuzuschreiben.
4. Der Zahlungsverpflichtung kann sich die Krankenkasse auch nicht durch eine Zahlung unter Vorbehalt entziehen. Die im kompensatorischen Beschleunigungsgebot zum Ausdruck kommende Verpflichtung ist auf die zügige Zahlung der Vergütung und auf die Erfüllung der Forderung gerichtet und nicht auf die Zurverfügungstellung eines Darlehens an die Krankenhäuser (vgl Filges, NZS 2021, 584, 588).
5. Durch die Zahlung hat sich die ursprüngliche Klage erledigt. Wenn die Krankenkasse im Anschluss ihren (vermeintlichen) Erstattungsanspruch durch Aufrechnung mit unstrittigen Vergütungsansprüchen des Krankenhauses befriedigt, ist die Bezahlung der Rechnung des neuen (anderen) Behandlungsfalls im Streit. Das ist ein anderer Streitgegenstand, auch wenn dort notwendigerweise inzident der ursprünglich streitige Behandlungsfall inhaltlich geprüft werden muss.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Braunschweig vom 20. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 816,44 festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob sich der Rechtsstreit nach Zahlung der Klageforderung erledigt hat. Ursprünglich ging es um die Vergütung einer stationären Krankenbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Dieses behandelte in der Zeit vom 15. Oktober 2016 bis 20. Oktober 2016 die bei der beklagten Krankenkasse versicherte, am J. 1932 geborene K. (Versicherte) wegen eines Schlaganfalls stationär.
Die Klägerin liquidierte gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 26. Oktober 2016 die Fallpauschale DRG B70D (Apoplexie ohne komplexen zerebrovask Vasospasmus , ohne komplizierende Diagnose oder systemische Thrombolyse, mit neurol Komplexbeh des akuten Schlaganfalls bis 72 Std oder mit anderer neurol Komplexbeh des akuten Schlaganfalls bis 72 Std) in Höhe von 3.620,51 Euro. Unter anderem war auch die Prozedur OPS 8-98b.00 (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) kodiert worden.
Am 4. November 2016 teilte die Beklagte der Klägerin per Datenträgeraustausch mit, dass die Abrechnung des OPS 8-98b.00 nicht zulässig sei, da die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung der Behandlung nicht nachgewiesen worden seien. Sie bat um Übermittlung neuer Entlassungs- und Rechnungsdaten ohne den OPS. Den unstrittigen Betrag in Höhe von 2.804,07 Euro glich die Beklagte aus. Die Klägerin wandte ein, dass es sich - wie sich aus den übermittelten Daten ergebe - um eine Notfallbehandlung gehandelt habe, eine Verlegung der Patientin wäre medizinisch nicht möglich gewesen und hätte das Leben der Patientin gefährdet.
Nachdem die Beteiligten keine Einigung erzielen konnten, hat die Klägerin am 3. Dezember 2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und die Auffassung vertreten, ihr stehe der geltend gemachte Rechnungsbetrag ungekürzt zu, weshalb die Beklagte ihr den Differenzbetrag von 816,44 Euro nebst Zinsen zu zahlen habe. Das ergebe sich unmittelbar aus § 13 Abs 6 Satz 1 des Niedersächsischen Krankenhaus-Sicherstellungsvertrages (Nds SV). Es sei für die Abrechnung nicht erforderlich, dass die Klägerin zunächst gegenüber der Beklagten einen Nachweis über die Erfüllung der Mindestmerkmale erbringe. Im Übrigen seien die im strittigen OPS geforderten Mindestmerkmale in ihrem Krankenhaus erfüllt. Auf “Strukturvoraussetzungen“ komme es nicht an, für die Durchführung von Strukturprüfungen existierte zudem keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte führe nicht aus, woraus s...