Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Rahmenvertrag zur ambulanten pflegerischen Versorgung. Regelungskompetenz der Vertragsparteien und der Schiedsstelle. keine Rahmenvorgaben zu einem Vergütungsmodell oder zu einzelnen Vergütungsfragen. Zuständigkeit der Pflegevergütungskommission

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Kompetenz der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI im Rahmen von Verhandlungen über den Inhalt des Rahmenvertrages zur ambulanten pflegerischen Versorgung nach § 75 SGB XI.

2. Unter die Regelungskompetenz der Vertragsparteien eines Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI fallen nicht Rahmenvorgaben zu einem Vergütungsmodell oder zu einzelnen Vergütungsfragen (hier: verbindliche Vorgabe der Anwendung und zugleich inhaltliche Gestaltung des niedersächsischen Leistungskomplexkataloges unter Festlegung von Punktzahlen).

3. Zur Zuständigkeit der Pflegevergütungskommission gemäß § 89 Abs 3 S 3 SGB XI in Verbindung mit § 86 SGB XI.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2021; Aktenzeichen B 3 P 4/19 R)

 

Tenor

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 25. Juli 2015 wird aufgehoben, soweit mit diesem Folgendes festgesetzt wurde:

1. Die Inhalte der Leistungs- und Vergütungsstruktur regelt der AI. Leistungskomplexkatalog, der als Anlage 3 dem Rahmenvertrag beigefügt ist. Der Leistungskomplexkatalog gem. Satz 1 gilt, sofern und soweit die AI. Pflegevergütungskommission keine anderen Regelungen dazu trifft. Abweichende Regelungen sind im Einzelfall zwischen den Vertragspartnern nach § 89 Abs. 2 SGB XI möglich.

2. Mit Ausnahme des Leistungskomplexes Nr. 7 werden der AI. Leistungskomplexkatalog, die Leistungsbeschreibung der Grundpflege nach Zeit und Betreuung nach Zeit als Anlage 3, 3a und 3b als weitere Bestandteile dem Rahmenvertrag beigefügt.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. - 17. tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., 2., 18., 19., 20., die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des durch Schiedsstellenentscheidung vom 25. Juli 2015 zustande gekommenen Rahmenvertrages gem. § 75 Abs. 1 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung in AJ. vom 1. September 2015. Die Beteiligten sind sich dabei uneinig über die Inhalte der Anpassung des Rahmenvertrages, soweit mit dem Schiedsspruch der niedersächsische Leistungskomplexkatalog als Bestandteil des Rahmenvertrages festgelegt wurde.

Zuvor galt in AJ. der Rahmenvertrag für die ambulante pflegerische Versorgung vom 9. März 2006 in der zum 1. Januar 2011 geänderten Fassung der Schiedsstellenfestsetzung. Die Leistungserbringerverbände der ambulanten Pflegedienste (die Beigeladenen zu 1. bis 11.) haben im April 2013 zu Verhandlungen aufgefordert und dabei jeweils die aus den Pflegeneuausrichtungs-Gesetz (PNG) folgenden Änderungs- und Ergänzungsbedarfe als Verhandlungsgegenstand benannt. Durch das PNG seien insbesondere die Rahmenbedingungen hinsichtlich der neu eingeführten Leistungen der häuslichen Betreuung gem. § 124 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sowie die Abrechnungsmodalitäten der Vergütung nach Zeitaufwand gem. § 89 SGB XI zu ergänzen. Am 30. Mai 2013 wurden die Verhandlungen aufgenommen und die Änderungsbedarfe aus Sicht der Leistungserbringer sowie aus Sicht der Kostenträger vorgestellt. Darauffolgend fanden Verhandlungsrunden am 24. September und 13. November 2013 statt; in diesen konnte ein Teil der notwendigen Änderungen einvernehmlich beschlossen werden. Die Kläger und die Beigeladenen haben in der Verhandlungsrunde am 13. November 2013 darüber hinaus eine Reihe von Forderungen zur Novellierung des Rahmenvertrages erhoben, zu denen teilweise kein Konsens erzielt werden konnte. Ein ursprünglich für Januar 2014 anberaumter weiterer Verhandlungstermin wurde seitens der Kläger abgesagt. Am 12. Mai 2014 fand die letzte Verhandlungsrunde statt. Die Beteiligten haben sich darauf verständigt, lediglich die als “verhandelbar„ bewerteten Forderungen zu verhandeln, so dass auf diesem Wege noch weitere Änderungen konsentiert werden konnten. Für die übrig gebliebenen Punkte wurde am Ende der Verhandlung das Scheitern erklärt. Es wurde darüber hinaus einvernehmlich festgelegt, die geeinten Änderungen nach Abschluss eines Schiedsverfahrens zusammen mit den durch Schiedsspruch festgesetzten Änderungen im Rahmenvertrag zu ergänzen und durch Unterschriftenverfahren rechtswirksam werden zu lassen.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2014, eingegangen am 2. Juli 2014 beim AK. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, haben die Beigeladenen zu 3 bis 17, mit Schreiben vom 1. Juli 2014, eingegangen am 4. Juli 2014, haben die Kläger sowie der AI. Landkreistag und die Beigeladenen zu 1 und 2  und mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014, eingegangen am 31. Juli 2014, der Beigeladene zu 16. um eine Entscheidung der Schiedsstelle zu den in den Verhandlungen streitig gebliebenen Punkten des Rahmenvertrage...

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