Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Zweipersonenhaushalt in Osnabrück. schlüssiges Konzept. Ermittlung der Durchschnittsmieten lediglich anhand von Angebotsmieten
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Mietobergrenzen und den Anforderungen an die realitätsgerechte Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 in der Stadt Osnabrück.
2. Die der Erstellung eines schlüssigen Konzepts dienende Ermittlung der Durchschnittsmieten ohne Einbeziehung von Bestandsmieten, nur unter Rückgriff auf öffentlich annoncierte Wohnungen führt zu einer den Leistungsempfängern zu Gute kommenden höheren angemessenen Bruttokaltmiete und ist daher von der den Grundsicherungsträgern nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42) zustehenden Methodenfreiheit gedeckt.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. Februar 2014 wird geändert.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 9. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 36,- € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) von dem Beklagten als zuständigen Leistungsträger die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft (KdU) für die Monate Juli bis Oktober 2011.
Der 1947 geborene Kläger und seine 1943 geborene Ehefrau, beide ab dem Jahre 2006 Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II), wohnen seit September 2002 zur Miete in einer 53 m² großen Wohnung in der K. in Osnabrück. Zu zahlen hatten sie hierfür zunächst eine monatliche Grundmiete i.H.v. 332 € zuzüglich 98 € für Nebenkosten (inklusive Heizung). Im Dezember 2006 forderte der Beklagte die Ehefrau des Klägers erstmals zur Senkung der Mietkosten auf. Ab dem 1. Juni 2007 übernahm er nur noch abgesenkte Unterkunftskosten (Bescheid vom 3. Juli 2007). Im November 2007 lehnte er unter Bezugnahme auf die Kostensenkungsaufforderung die Übernahme einer Nebenkostennachzahlung ab, da die Wohnung unangemessen teuer sei.
Nachdem die Eheleute wegen des Bezugs von ALG I und Wohngeld zwischenzeitlich aus dem ALG II-Leistungsbezug ausgeschieden waren und seine Ehefrau (ab Oktober 2008) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) - erhielt, stellte der Kläger im April 2011 nunmehr nur noch für seine Person einen Neuantrag auf Gewährung von ALG II. Hinsichtlich der KdU legte er eine Mietbescheinigung vom 31. Mai 2011 vor. Hiernach betrugen die von ihm und seiner Ehefrau bei gleichgebliebener Grundmiete an den Vermieter zu zahlenden monatlichen Vorauszahlungen für Nebenkosten und Heizkosten mittlerweile 137 €, wovon ein Drittel (45,66 €) auf die Heizkosten und zwei Drittel (91,33 €) auf die übrigen Nebenkosten entfielen. Die von den Eheleuten tatsächlich aufzubringende Miete betrug mithin 423,33 € bruttokalt bzw. 469 € bruttowarm.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2011 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Heizkosten Leistungen für anteilige Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 216,33 € (x 2 = 432,66 €) monatlich. Angesichts der damit lediglich in Höhe von 193,50 € (x 2 = 387 €) gewährten Bruttokaltmiete tat sich für den Kläger mithin eine monatliche Deckungslücke von 18,17 € auf.
Grundlage dieser Festsetzung war die zur Feststellung der Angemessenheit der KdU für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII von dem Beklagten in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Soziales und Gesundheit der Stadt Osnabrück unter dem 24. Januar 2011 erstellte Vermietungsmarkterhebung für das Stadtgebiet. Diese Erhebung beruht auf einer in den Jahren 2005 bis 2010 durchgeführten Sichtung von insgesamt 25.231 Wohnungsmarktangeboten (2009: 5.249, 2010: 4.433 Angebote) in Anzeigen der L.. Ab Februar 2007 wurden zusätzlich Angebote aus dem Internet (M.), der lokalen Wohnungsbaugesellschaften (N.) sowie der Immobilienmakler O. erhoben und ausgewertet. Hinsichtlich des erhobenen Datenbestandes heißt es in der Erhebung, dieser entspreche 36 % der ca. 70.000 Mietwohnungen in Osnabrück (der Anteil der Haushalte mit Leistungsempfängern beträgt in der Stadt 12 %). Mehrfachanzeigen über dieselbe Wohnung seien anhand übereinstimmender Merkmale aussortiert worden. Berücksichtigt worden seien nur selbstständige Wohnungen, d.h. keine Mitwohngelegenheiten in Wohngemeinschaften oder Einzelzimmer bis 20 m² (sog. Studentenzimmer). Wohnungen, die offensichtlich über dem mittleren Preissegment lagen (sog. Luxuswohnungen) wurden erst ab Juli 2008 erfasst. Es seien nur Daten in die...