Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB 7. Blutspende. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Verzehr vom Blutspendedienst bereitgestellter Nahrungsmittel. Zahnschaden. Ausschluss der Kostenerstattung für eine nicht unaufschiebbare Zahnbehandlung. nicht abtrennbare Behandlung. Wege zur selbstbeschafften Heilbehandlungsleistungen. ergänzende Leistungen. Ausschluss der Erstattung von Reisekosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Versicherungsschutz eines Blutspenders beim Verzehr vom Blutspendedienst bereitgestellter Nahrungsmittel (offengelassen).

2. Eine Erstattung für eine nicht unaufschiebbare Zahnbehandlung scheidet zumindest für die bis zur Ablehnung von Heilbehandlungsleistungen entstandenen Kosten aus. Die Erstattung scheidet auch für die nach der Ablehnung entstandenen Kosten aus, wenn es sich bei den Behandlungsschritten nicht um selbständige, von der bisherigen Behandlung abtrennbare Behandlungen handelt. Ein einheitlicher Behandlungsvorgang kann sich insbesondere aus einem mehrere Monate vor der Ablehnung aufgestellten Heil- und Kostenplan ergeben.

3. Wird eine zahnärztliche Heilbehandlung nicht vom Unfallversicherungsträger als Sachleistung in Anspruch genommen und besteht nach einer Selbstbeschaffung der Sachleistung kein Anspruch auf Kostenerstattung, scheidet auch die Erstattung von Reisekosten (als die Sachleistung ergänzende Leistung) aus, die für Wege zur Inanspruchnahme selbstbeschaffter Heilbehandlungsleistungen entstanden sind.

 

Orientierungssatz

Die Nahrungsaufnahme kann ausnahmsweise im inneren Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit stehen, wenn Umstände der verrichteten Tätigkeit die Nahrungsaufnahme wesentlich beeinflussen. Das ist nach der Rechtsprechung ua der Fall, wenn die versicherte Tätigkeit ein besonderes Hunger- oder Durstgefühl verursacht und deshalb die Nahrungsaufnahme notwendig gemacht hat, die ohne die versicherte Tätigkeit nicht, erst später oder in anderer Form notwendig geworden wäre.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. April 2022 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der beklagten Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung die Erstattung von Kosten für eine zahnärztliche Heilbehandlung und damit zusammenhängende Reisekosten, die im Anschluss an eine Blutspende erforderlich wurden.

Der 1965 geborene Kläger spendete am Freitag, den 13. April 2018 auf eine turnusmäßig versandte Einladung des Blutspendedienstes der Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes G., H., I., J. und K. gGmbH (im Folgenden: DRK) in einem Schulgebäude in L. (Landkreis M.) Blut. Dabei wurden den Blutspendern vom DRK in einem Nebenraum des Spenderaums verschiedene Lebensmittel angeboten, die von ihnen im Anschluss an ihre Spende eingenommen werden konnten. Hiervon machte der Kläger gemeinsam mit weiteren Spendern Gebrauch. Beim Essen eines Schwarzbrothäppchens biss er auf einen harten, im Einzelnen nicht identifizierten Gegenstand im Brot und erlitt dabei eine Schädigung eines Zahnes im Oberkiefer (Zahn 15). Am 27. April 2018 suchte er erstmals den Zahnarzt Dr N. auf und erhielt ab 17. Mai 2018 von der Zahnärztin Dr O. eine Wurzelkanalbehandlung und Zahnüberkronung des betroffenen Zahns. Für die auf Grundlage der Heil- und Kostenpläne der Dr O. Nr 12298 [Wurzelkanalbehandlung Zahn 15] und Nr 12301 [Extrusion Zahn 15] ], jeweils in der Fassung vom 16. Juli 2018, sowie Nr 12303 [Kronenversorgung Zahn] in der Fassung vom 18. Juli 2018, durchgeführten zahnärztlichen Behandlungen entstanden dem Kläger ua nicht von dritter Seite erstattete Kosten in Höhe von insgesamt 2.575,87 Euro (Rechnungen Dr N. vom 17. Mai 2018 über 10,72 Euro [Behandlung am 27. April 2018], Dr O. vom 2. Januar 2019 über 1.767,08 Euro [Behandlungszeitraum 17. Mai bis 13. September 2018], Dr O. vom 9. Mai 2019 über 21,44 Euro [Behandlung am 16. Januar 2019], P. AG/O. vom 10. Februar 2020 über 791,64 Euro [Behandlungen am 24. Januar und 7. Februar 2020] = Gesamtsumme 2.590,88 Euro, abzüglich der Zahlung des privaten Krankenversicherers des Klägers in Höhe von 15,01 Euro). Zur Wahrnehmung von insgesamt 14 Behandlungsterminen zwischen dem 27. April 2018 und 3. Dezember 2020 legte der Kläger mit seinem Kraftfahrzeug insgesamt 1.362 Kilometer zurück.

Der Kläger teilte den Sachverhalt am 29. August 2018 dem DRK und am 4. Oktober 2018 der Beklagten mit. Die Beklagte lehnte nach Einholung von Befundberichten und beratungszahnärztlichen Stellungnahmen des Zahnarztes Q. vom 19. September 2019 und 13. Oktober 2020 Leistungen für die zahnärztliche Versorgung des Klägers ab (Bescheid vom 17. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2020). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der behandelte Zahn bereits durch Caries profunda zerstört gewesen sei. Die Na...

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