Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Mutterschaftsgeld. Anspruch auf Krankengeld. nahtlos und ununterbrochen erhalten gebliebene Mitgliedschaft
Orientierungssatz
Die Zahlung von Mutterschaftsgeld kann nach § 24i Abs 1 S 1 SGB 5 verlangt werden, wenn die Anspruchstellerin bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld gehabt hätte. Voraussetzung hierfür ist, dass die einen Krankengeldanspruch begründende Mitgliedschaft nach § 192 SGB 5 über eine Kette von nahtlosen, ununterbrochenen Erhaltungstatbeständen bestehen geblieben ist.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. März 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2017 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld für ihr am 3. April 2017 geborenes zweites Kind nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Mutterschaftsgeld für ihr am 3. April 2017 geborenes zweites Kind.
Die am XX. Dezember 19XX geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie war bis zum 31. Dezember 2015 befristet versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 1. Januar 2016 bezog sie Arbeitslosengeld (Alg) I bis zum 24. Januar 2016, ab dem 25. Januar 2016 Mutterschaftsgeld für ihr erstgeborenes Kind und ab 5. Mai 2016 bis 8. März 2017 Elterngeld. Die Mutterschutzfrist für das zweite Kind begann am 26. Februar 2017 während des Bezuges des Elterngeldes. Nach der Bescheinigung der Hebamme H. vom 26. März 2017 war der mutmaßliche Tag der Entbindung der 9. April 2017.
Mit Schreiben vom 26. März 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von Mutterschaftsgeld für das zweite Kind. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. März 2017 ab, da die Klägerin in der Zeit vom 5. Mai 2016 bis 8. März 2017 über den Bezug von Elterngeld beitragsfrei versichert sei. Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld ergebe sich aus dieser Mitgliedschaft nicht. Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis bei Beginn der neuen Schutzfrist beendet sei, deren Mitgliedschaft jedoch allein aufgrund des Bezuges von Elterngeld nach § 192 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhalten bleibe, hätten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen erneuten Anspruch auf Mutterschaftsgeld.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. April 2017 Widerspruch ein und verwies darauf, dass sich das von der Beklagten zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in tatsächlicher Hinsicht von dem hier vorliegenden Fall unterscheide. Die dortige Klägerin habe das schon vor der Geburt des ersten Kindes bestehende Arbeitsverhältnis während des Bezuges von Erziehungsgeld für das erste Kind gekündigt, weit vor der Geburt des zweiten Kindes. Das BSG habe sich in dem Fall nicht abschließend damit auseinandergesetzt, ob das Aufrechterhalten der Mitgliedschaft nach § 192 SGB V dazu führe, dass ein Anspruch auf Krankengeld vermittelt werde. Während des Bezuges des Mutterschaftsgeldes und des Elterngeldes für das erste Kind hätten der Arbeitslosengeldanspruch als auch der Krankengeldanspruch für die Klägerin geruht und die Versicherung sei gemäß § 192 SGB V aufrechterhalten worden. Die Klägerin habe nicht durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses den möglicherweise noch erhaltenen Status einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgegeben, sondern ihren Status als arbeitslose Versicherungspflichtige erhalten, so dass Mutterschaftsgeld zu zahlen sei. Hätte der Elterngeldbezug zwei Tage vor Beginn der Mutterschutzfristen für das zweite Kind geendet, hätte sich die Klägerin für einen Tag erneut arbeitslos melden können und müssen mit der Folge, dass sie dann erneut versicherungspflichtig gewesen wäre und einen Anspruch auf Krankengeld gehabt hätte. Dass hier rein zufällig die Schutzfrist in den Zeitraum des Elterngeldbezuges falle, könne dies grundsätzlich nicht ändern.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2017 zurück. Das Urteil des BSG vom 8. August 1995 - 1 RK 21/94 sei vollumfänglich auf die Klägerin anzuwenden. Versicherte, für die noch während des Erziehungsurlaubes, aber erst nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine neue Schutzfrist nach § 3 Abs 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) beginne, hätten bei Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V keinen Anspruch auf laufendes Mutterschaftsgeld nach § 200 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Juni 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Das BSG habe sich keineswegs abschließend damit auseinandergesetzt, dass das Aufrechterhalten der Mitgliedschaft nach § 192 SGB V dazu führe, dass ein Anspruch auf Krankengeld und mithin ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld vermittelt werde. Für die...