Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. kein Anspruch auf Versorgung mit einem Behindertenbegleithund
Leitsatz (amtlich)
Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Versorgung mit einem Behindertenbegleithund gegen die gesetzliche Krankenversicherung.
Orientierungssatz
Ein Anspruch besteht auch nicht im Rahmen des § 40 Abs 1 S 1 SGB 11.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 14. Mai 2018 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für einen ausgebildeten „Fetales Alkoholsyndrom (FAS) - Begleithund“.
Der Kläger wurde im Jahre 2011 als viertes von sechs Kindern einer alkoholkranken Mutter geboren. Diese hatte während der Schwangerschaft in erheblichen Mengen Alkohol konsumiert und Hilfen zur Stabilisierung der Lebenssituation nicht angenommen. Nach der Geburt wurde der Kläger in Obhut genommen und lebt seither bei seinen jetzigen Pflegeeltern.
Aufgrund des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft besteht bei dem Kläger ein FAS mit Entwicklungsverzögerung, allgemeiner Muskelhypotonie, taktil vestibulärer Unreife, Hirnnervenstörung und Sprach- und Entwicklungsverzögerung. Der Pflegegrad III ist zuerkannt. Das FAS wirkt sich nach den Angaben der behandelnden Kinderorthopädin K. u.a. in Form von Zappeligkeit, Logorrhoe, starken Bewegungsimpulsen und Vermeidungsstrategien aus.
Ab dem Jahre 2016 besucht der Kläger die Grundschule L.. Bereits im Kindergarten wurde für den Kläger eine Integrationshelferin eingesetzt, die ihn nunmehr auch als Schulassistenz begleitet.
Mit Verordnung vom 16. August 2016, ausgestellt durch die Kinderorthopädin K., beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten die Gewährung eines Behindertenbegleithundes. Als Diagnosen wurden eine Entwicklungsverzögerung, eine Alkoholembryopathie mit Hirnnervenstörung, eine Muskelhypotonie und taktil vestibuläre Unreife genannt.
Mit Bescheid vom 1. September 2016 führte die Beklagte aus, dass der begehrte Therapiehund nicht in den Aufgabenbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre. Es handele sich vielmehr um eine allgemeine Haustierhaltung.
Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, dass ein Behindertenbegleithund notwendig sei. Es sei inzwischen anerkannt, dass gerade Kinder mit FAS durch Behinderten- oder Therapiebegleithunde nicht nur vor drohenden Gefahren geschützt werden, sondern solche Hunde auch bestehende Defizite ausgleichen oder in ihrer Intensität reduzieren könnten. Insgesamt würden ähnliche Voraussetzungen wie bei einem Blindenhund oder einem Assistenzhund vorliegen.
Mit Kaufvertrag vom 16. Oktober 2016 erwarb die Pflegemutter des Klägers die Golden Retriever Hündin „M.“, die sie am 30. November 2016 zur Hundeschule anmeldete. In der Zeit von Dezember 2016 bis Februar 2017 wurde eine Ausbildung zum FAS-Begleithund begonnen, jedoch nicht fortgeführt.
Die Beklagte forderte Unterlagen der behandelnden Ärzte an und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung. Unter dem 5. April 2017 führte dieser aus, dass es sich bei einem FAS-Assistenzhund nicht um ein Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung handele, da es weder die Krankenbehandlung sichere, noch einer Behinderung vorbeuge, noch die Behinderung bei der Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens ausgleiche. Einem entsprechenden Hilfebedarf würde vielmehr mit zuerkannter Pflegestufe Rechnung getragen. Ferner erfülle der Hund auch nicht die Voraussetzungen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Es bliebe offen, inwieweit die Maßnahme gesichert sei und welche standardisierten Voraussetzungen gegeben sein müssten, um mit dem Einsatz des Tieres nach seiner Ausbildung die gewünschten Erfolge zu erzielen. Auch zusammen mit dem Tier solle das Kind nicht unbeaufsichtigt bleiben. Die Wirksamkeit eines FAS Assistenzhundes sei bislang auch nicht durch Studien belegt. Es sei nachvollziehbar, dass der Einsatz eines solches Hundes gewünscht werde. Das diesbezügliche Engagement der Eltern sei uneingeschränkt zu würdigen. Eine sozialmedizinische Empfehlung sei jedoch nicht möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei Blindenführhunden handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um Hilfsmittel im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), die auch im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt seien. Bei Assistenzhunden (Behindertenbegleithunde, Diabeteswarnhunde, Epilepsiehunde) sei dies jedoch nicht der Fall. Außerdem sei der Hund auch nicht im Rahmen eines Einsatzes zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse erforderlich. In dieser Hinsicht stützte sich die Beklagte auf das Gutachten des MDK.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat er sich insbesondere auf die Ausführungen der Kinderorthopädin K. gestützt. Di...