Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Abgrenzung zwischen Erstausstattung und Ersatzbeschaffung. sukzessive Zerstörung der Wohnungseinrichtung während vorausgegangener Drogenabhängigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Strukturell sind im Bereich des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 aF für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zwei Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich zum einen die Anschaffung von Gegenständen, die zuvor im Besitz des Leistungsberechtigten noch nicht vorhanden waren, und zum anderen ein Bedarf an Gegenständen, die bereits zuvor im Besitz des Leistungsberechtigten vorhanden gewesen sind, wobei eine funktionelle Betrachtungsweise geboten ist.
2. Im zweitgenannten Fall, in dem Einrichtungsgegenstände gleicher Funktion bereits vorhanden waren, ist eine außergewöhnliche, besondere Bedarfslage vonnöten, da Leistungsberechtigte hinsichtlich erforderlicher Neuanschaffungen von Gegenständen regelmäßig auf die Finanzierung aus der Regelleistung zu verweisen sind; Maßgabe für die Entscheidungsfindung im Einzelfall ist demnach, dass "Erstausstattungen" deutlich und klar von Ersatzbeschaffungen abzugrenzen sind.
3. Zu fordern ist für eine Gleichachtung einer Ersatzbeschaffung mit einer Erstausstattung und für einen entsprechenden Leistungsanspruch nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 aF (erstens) ein besonderes Ereignis, das (zweitens) einen erheblichen - bei dem überwiegenden Teil der Leistungsberechtigten so nicht entstehenden - besonderen Neuanschaffungsbedarf hervorruft, der sich seinem Umfang nach deutlich vom regelmäßigen Ergänzungsbedarf abgrenzen lässt, wobei das Ereignis (drittens) den Leistungsberechtigten unvorhergesehen in dem Sinne trifft, dass der Leistungsberechtigte - nicht anders als bei der Entscheidung für eine Ersatzbeschaffung - in der Lage war, dieses Ereignis willentlich zu steuern, und dass der Bedarf sich (viertens) nicht - dies in Abgrenzung zum regelmäßigen Verschleiß nahezu gleichbleibend - über einen längeren Zeitablauf, etwa über mehrere Monate oder Jahre, entwickelt.
4. Das letztgenannte Kriterium ist im vorliegenden Fall der Unbrauchbarkeit einer Wohnungseinrichtung aufgrund sukzessiv erfolgender Beschädigungen der Einrichtung während einer Drogenabhängigkeit nicht erfüllt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. März 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie über den Teilvergleich vom 12. September 2012 hinausgeht.
Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bewilligung einer Erstausstattung seiner Wohnung nach absolvierter Drogentherapie.
Der 1968 geborene Kläger stand bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten seit dem 1. Januar 2005 im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Zum 15. Dezember 2004 hatte er eine ca. 32 qm große Wohnung in J. angemietet, in welcher er weiterhin wohnt. Im Jahr 2007 führte der Kläger aufgrund von Drogenabhängigkeit eine stationäre Therapiemaßnahme durch, eine weitere Maßnahme schloss sich beginnend mit dem 29. Dezember 2008 an. Mit Leistungsbescheid vom 17. Februar 2009 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten dem Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. April 2009 bis zum 30. September 2009 in Höhe von monatlich 619,67 €.
Am 30. Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten eine “Wiedereingliederungsbeihilfe„ und teilte mit, er sei in den letzten vier Jahren heroinabhängig gewesen und habe jetzt vom 29. Dezember 2008 bis zum 29. Mai 2009 eine Therapie abgeschlossen. Aufgrund seiner Drogenabhängigkeit besitze er kaum Möbel, die in Ordnung seien. Zum Teil seien sie verbrannt, oder kaputt, oder gar nicht vorhanden. Er benötige eine Matratze, Bettwäsche, einen Teppich, einen Wohnzimmertisch, eine Sitzgarnitur, einen Kühlschrank, eine Waschmaschine, Schränke, ein Fahrrad und einen Fernseher. Der daraufhin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten beauftragte Ermittlungsdienst führte am 22. Juli 2009 einen Hausbesuch bei dem Kläger durch und bestätigte, dass ein Wohnzimmerschrank, eine zweisitzige Couch, ein Fernseher, eine Matratze, Bettwäsche mit Laken sowie eine Waschmaschine benötigt würden. Eine komplette Küche und sonstige, oben nicht aufgeführte Gegenstände, seien vorhanden. Die vorhandene Matratze sei kaputt, habe riesige Brandlöcher und sei völlig verdreckt. Ansonsten habe die Wohnung einen ordentlichen und sauberen Eindruck gemacht.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte dem Kläger gemäß Bescheid vom 29. Juli 2009 daraufhin gemäß § 23 Abs. 1 SGB II eine einmalige Leistung als Darlehen in Höhe von 547,00 € für die Anschaffung der durch den Ermittlungsdienst festgestellten Bedarfsgegenstände. Der Kläger legte am 11. August 2009 Wide...