Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Statuswechsel. Gemeinschaftspraxis in Einzelpraxen. Degressionsberechnung. Honoraranspruch. Abrechnungsjahr
Leitsatz (amtlich)
Allein der Statuswechsel von einer vertragszahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in Einzelpraxen führt nicht dazu, dass die Degressionsberechnung - abweichend von der gesetzlich vorgegebenen Jahresbezogenheit - quartalsbezogen erfolgen muss.
Normenkette
SGB V § 85 Abs. 4, 4b
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. September 2009 aufgehoben.
Der Bescheid vom 30. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2006 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Honoraranspruch des Klägers für 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 11.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe der Degressionsabzüge, die bei der Honorierung vertragszahnärztlicher Leistungen des Klägers im Jahr 1999 vorzunehmen sind.
Der Kläger ist als Zahnarzt in F. niedergelassen und nimmt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Bis zum Ende des ersten Quartals 1999 führte er seine Praxis in der G. 12 in Gemeinschaftspraxis (jetzt: Berufsausübungsgemeinschaft) - als gleichberechtigte Partner - mit dem zu 7. beigeladenen Vertragszahnarzt H. I.. Die Praxis beschäftigte einen Assistenten und rechnete im Quartal I/1999 insgesamt 141.144 (degressionswirksame) Punkte ab. Seit dem Quartal II/1999 führte der Kläger die Praxis allein weiter, in der für drei Wochen im April 1999 ein Assistent beschäftigt wurde. Die Einzelpraxis rechnete in den Quartalen II - IV/1999 413.768 (degressionswirksame) Punkte ab. Auch der Beigeladene zu 7. führte seit April 1999 wieder eine Einzelpraxis.
Mit Bescheid über die Degressionsberechnung 1999 vom 19. Dezember 2003 setzte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) dem Kläger gegenüber die für die Quartale I - IV/1999 zu degressierende Punktmenge fest. Dies waren in der Degressionsstufe 2 (ab 450.000 Punkte) 10.903 und in der Stufe 1 (ab 350.000 Punkte) weitere 105.208 Punkte. Der zu erstattende Degressionsbetrag sollte 25.380,24 DM = 12.976,71 Euro betragen. Grundlage hierfür war die bis 2005 geltende "Vereinbarung über die Anwendung der Degressionsbestimmungen gem. § 85 Abs. 4 b - f SGB V" vom 1. Dezember 1993, die zwischen der Beklagten und den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen abgeschlossen worden war.
Der Kläger legte hiergegen am 13. Januar 2004 Widerspruch ein.
Nachdem der zwischen der Beklagten und den Kassenverbänden abgeschlossene "Vertrag zur Degression 1999 bis 2003" (vom 23. Juni 2005; im Folgenden: Degressionsvertrag) während des Widerspruchsverfahrens in Kraft getreten war, erließ die Beklagte auf dessen Grundlage den Jahreshonorar- und Degressionsbescheid für 1999 vom 30. Juni 2006, mit dem ua der Degressionsbescheid vom 19. Dezember 2003 aufgehoben wurde. Nunmehr nur unter Berücksichtigung der ab April 1999 abgerechneten Punktemenge errechnete sie einen Degressionsfaktor von 8,66 % für die Quartale II-IV. Nach Abzug des Degressionsfaktors verblieb ein Abrechnungsbetrag von 704.096,61 DM (359.998,88 Euro), von denen 547.169,28 DM (279.763,11 Euro) vergütet wurden. Seinen Widerspruch gegen den ursprünglichen Degressionsbescheid begründete der Kläger daraufhin damit, dass bei der Degressionsberechnung die im Quartal I/1999 von der Gemeinschaftspraxis abgerechneten Punkte unberücksichtigt geblieben seien.
Der aus dem Kläger und dem Beigeladenen zu 7. bestehenden Gemeinschaftspraxis erteilte die Beklagte unter dem 7. Juli 2006 einen Jahreshonorar- und Degressionsbescheid für 1999, bei dem der Degressionsfaktor - bezogen auf das Quartal I/1999 - auf 0 % festgesetzt wurde. Von den insgesamt abgerechneten 235.887,82 DM (120.607,52 Euro) wurden 203.610,94 DM (104.104,62 Euro) vergütet. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006 zurück. Bei einem Statuswechsel von einer Gemeinschafts- in eine Einzelpraxis ändere sich die mit der Zulassung vergebene Abrechnungsnummer. Gem § 1 Abs 2 des Degressionsvertrags 1999 bis 2003 und § 2 Abs 1 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten seien bei nicht ganzjähriger Zulassung die Punktmengengrenzen zeitanteilig zu reduzieren.
Am 17. Oktober 2006 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass sich die Degressionsberechnung auf das gesamte Kalenderjahr 1999 zu erstrecken habe. Die gesetzlich festgesetzte degressionsfreie Gesamtpunktmenge von 350.000 Punkten je Vertragszahnarzt beziehe sich demnach immer auf das volle Kalenderjahr. Bei nur zeitweiser Tätigkeit des gleichberechtigten Partners in ei...