Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Satzung der Seemannskasse. nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erbringende Leistungen. Überschreitung des Regelungsermessens
Leitsatz (amtlich)
Die Ausgestaltung der nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erbringenden Leistungen in § 17 der Satzung der Seemannskasse überschreitet den durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 137b Abs 1 SGB 6 (vormals: § 143 Abs 1 S 1 SGB 7 aF) gesetzten Rahmen für die dem Satzungsgeber obliegende Ausübung des Regelungsermessens.
Nachgehend
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 18. November 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 16. Dezember 1942 geborene Kläger ist jahrzehntelang zur See gefahren. Sein Versicherungskonto weist für 430 Monate eine nach § 8 der Satzung der Seemannskasse der Beklagten (im Folgenden: Satzung) versicherungspflichtige Seefahrtzeit auf.
Zum 31. Dezember 2007 schied der Kläger aus der seemännischen Beschäftigung aus. Er bezieht seitdem eine Altersrente.
In Wahrnehmung der Ermächtigung der damaligen Vorschrift des § 143 SGB VII (die an die Stelle der vorausgegangenen Regelung des § 891a RVO getreten war) hatte die See-Berufsgenossenschaft eine Seemannskasse errichtet. 2007 sah die Satzung dieser Seemannskasse die Gewährung von Überbrückungsgeldzahlungen nur für die Zeitspanne ab Vollendung des 56. Lebensjahres bis zum Beginn des Bezuges einer Vollrente wegen Alters oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vor (vgl. § 11 der damaligen Satzung).
Ende 2007 plante die Seemannskasse die Einführung eines weiteren Überbrückungsgeldes, dessen Auszahlung erst mit Beginn der Regelaltersgrenze beginnen und dessen Bezugsdauer auf 24 Monate begrenzt sein sollte. Diese Leistung sollte neben der Altersvollrente erbracht werden.
Anlass für dieses Vorhaben war (ausweislich des Schreibens der Seemannskasse an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 3. Januar 2008), dass im Bereich der Seeschifffahrt ein gesteigerter Personalbedarf bestand, der auch mittelfristig durch den Arbeitsmarkt nicht befriedigt werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte die neue Regelung den Versicherten einen Anreiz bieten, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder auch noch darüber hinaus in der Seefahrt zu verbleiben, ohne davon durch einen drohenden vollständigen Verlust der Ansprüche auf Überbrückungsgeld abgehalten zu werden. Zum anderen sollte langjährigen Versicherten im Hinblick auf die von diesen erbrachten Beitragszahlungen ein Leistungsanspruch eröffnet werden.
Am 6. November 2007 beschloss die Vertreterversammlung der See-BG eine entsprechende Änderung der Satzung mit Wirkung zum 1. Januar 2008.
Diese Neufassung enthielt insbesondere folgende Regelungen:
§ 9: Art der Leistungen
Die Seemannskasse gewährt:
1. Überbrückungsgeld,
2. Überbrückungsgeld als Differenzbetrag,
3. Überbrückungsgeld als Abschlagsausgleich,
4. Überbrückungsgeld als einmaligen Abschlagsausgleich,
5. Überbrückungsgeld als Sonderausgleich,
6. Überbrückungsgeld als einmaligen Sonderausgleich,
7. Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze.
§ 17: Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze
Der Versicherte, der die für ihn nach § 35 i.V.m. § 235 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch geltende Regelaltersgrenze erreicht hat, erhält die Leistung nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Der Anspruch auf die Zahlung besteht für 24 Kalendermonate. Ein Anspruch besteht nicht, wenn der Versicherte die Regelaltersgrenze nach Satz 1 vor dem 1. Januar 2008 erreicht hat und aus der Seefahrt ausgeschieden ist. Dies gilt auch, wenn er nach dem 31. Dezember 2007 eine erneute seemännische Beschäftigung oder Tätigkeit aufnimmt.
§ 18: Höhe der Leistung
(1) Die Leistung nach § 9 Nr. 1 und 2 ist wie eine Regelaltersrente ohne Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung zu berechnen, die dem Versicherten nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bei Beginn der Leistung zustünde, wenn eine Regelaltersrente zu diesem Zeitpunkt zu gewähren wäre. Hierbei werden Zurechnungszeiten nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt. Bei Überbrückungsgeldern mit Beginn ab 1. Januar 2008 werden Versicherungszeiten nach über- und zwischenstaatlichem Recht nicht berücksichtigt. Die Leistungsberechnung erfolgt ausschließlich zum erstmaligen Beginn.
(2) Die Leistung nach § 9 Nr. 7 ist wie eine Regelaltersrente zu berechnen, die dem Versicherten nach Erreichen der für ihn gemäß § 35 i.V.m. § 235 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch geltende...