Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale durch die Krankenkasse bei Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. keine Fälligkeit der abgerechneten Forderung bei nicht ordnungsgemäßer Information der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Keine Auffälligkeitsprüfung iS von § 275 Abs 1c SGB 5 ist die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (§ 301 SGB 5). Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung, es unterliegt einem eigenen Prüfregime (vgl BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4 Rn 16ff, vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 3 Rn 17, vom 14.10.2014 - B 1 KR 34/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 5 Rn 21 und vom 23.6.2015 - B 1 KR 13/14 R = SozR 4-5560 § 17b Nr 6 Rn 24).
2. Die Durchführung einer die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 auslösenden Prüfung ist nicht schon bei jeglicher Rückfrage der Krankenkasse beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung anzunehmen. Vielmehr muss es sich um eine Prüfung aus einem der in § 275 Abs 1 Nr 1 iV mit Abs 1c S 1 SGB 5 genannten Anlässe handeln. Es darf sich nicht um eine Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 KHG handeln. Auch muss die Krankenkasse den MDK gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben, mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, dh eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen. Zielsetzung eines die Aufwandspauschale möglicherweise auslösenden Prüfauftrags an den MDK muss die Abklärung sein, ob aus dessen fachkundiger Sicht Gründe vorliegen - etwa im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung -, die die Höhe des Abrechnungsbetrages rechtfertigen (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3 Rn 13).
3. Ein formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf Verpflichtungen voraus, insbesondere aus § 301 SGB 5. Fehlt es an dieser Angabe, tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSG vom 17.9.2013 - B 1 KR 51/12 R = BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2 Rn 26-27, vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 1 Rn 31, vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24 Rn 32 und vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R Rn 10).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. November 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 200,-- Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) a.F..
Die Klägerin betreibt das F. Krankenhaus in G.. Dieses behandelte in der Zeit vom 22. Januar bis 4. Februar 2009 die am 29. November 2008 -in der 34. Schwangerschaftswoche- geborene H. sowie vom 23. Januar bis zum 4. Februar 2009 ihren ebenfalls am 29. November 2008 geborenen Zwillingsbruder I.. Die Säuglinge waren am 22. Januar bzw 23. Januar 2009 wegen der Aufnahmediagnosen J12.1 Pneumonie durch Respiratory-Syncytial-Viren (RSV), Q37.5 Spalte des harten und des weichen Gaumens mit einseitiger Lippenspalte (J.), J20.8 akute Bronchitis durch sonstige nicht näher bezeichnete Erreger, J21.0 akute Bronchiolitis durch Respiratory-Syncytial-Viren (K.) bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand notfallmäßig durch den behandelnden Kinderarzt L. in das Krankenhaus der Klägerin eingewiesen worden. Beide Säuglinge waren bereits vom 29. November 2008 bis 8. Januar 2009 (Diagnose: Eutrophes Frühgeborenes 34. Schwangerschaftswoche) in der Klinik für Neonatologie der Klägerin in stationärer Behandlung.
Das Krankenhaus rechnete für I. die DRG E40A (Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane mit Beatmung mehr als 24 Stunden mit intensivmedizinischer Komplexbehandlung im Kindesalter, mehr als 72 Stunden oder Alter unter 16 mit ARDS oder äußerst schweren CC) und für H. die DRG E70A (Keuchhusten und akute Bronchiolitis) ab. Auf die Rechnungen zahlte die Beklagte jeweils den vollen Rechnungsbetrag. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen und im Lande Bremen (MDK) zu den Fragen “Wurde die korrekte Hauptdiagnose abgerechnet bzw was hat den Krankenhausaufenthalt veranlasst?„
Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 teilte der MDK der Klägerin jeweils Folgendes mit:
“Gemäß § 275 Abs 1c SGB V informieren wir Sie hiermit über unseren Prüfauftrag der og Krankenkass...