Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. Bemessungszeitraum in Sonderfällen. Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) gelten als Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 131 Abs 2 Nr 2 SGB 3. Dies gebietet Art 6 Abs 4 GG, wonach in Konkretisierung des Sozialstaatsgebotes jede Mutter Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft hat (vgl auch BSG-Urteil vom 21.10.2003 - B 7 AL 28/03 R = BSGE 91, 226 = SozR 4-4300 § 147 Nr 2 - zu den Folgen eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG im Zusammenhang mit der 4-jährigen Verfallsfrist des § 147 Abs 2 SGB 3).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 27. Februar 2003 und die Bescheide der Beklagten vom 3. November 2000 und 9. Januar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2001 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vom 30. September 2000 bis zum 24. September 2001 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 680,00 DM zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 30. September 2000 bis 24. September 2001. Die im Juni 1966 geborene Klägerin war vom 1. August 1995 bis 29. September 2000 als Bauzeichnerin versicherungspflichtig beschäftigt. Wegen der Geburt ihres Sohnes G. am 28. September 1997 war die Klägerin vom 16. August bis 30. Dezember 1997 nicht berufstätig. Ihre durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit betrug von August 1995 bis Dezember 1997 40 Stunden. Ab dem 1. Januar 1998 war die Klägerin in Teilzeitarbeit beschäftigt; von Januar 1998 bis Dezember 1999 betrug ihre regelmäßige Arbeitszeit 19 Wochenstunden bei einem regelmäßigen Bruttoarbeitsentgelt von 2.200,00 DM, ab dem 1. Januar 2000 bis zum Ende der Beschäftigung am 29. September 2000 betrug die regelmäßige Arbeitszeit 10 Wochenstunden bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.160,00 DM. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des Arbeitgebers beendet. Mutterschaftsgeld erhielt die Klägerin vom 17. August bis 23. November 1997; Erziehungsgeld vom 28. September 1997 bis zum 27. September 1998; im Folgejahr wurde wegen des Überschreitens der Einkommensgrenze Erziehungsgeld nicht mehr gezahlt. Ihr 3-jähriger Erziehungsurlaub endete am 29. September 2000. Die Klägerin meldete sich am 21. August 2000 arbeitslos und begehrte Leistungsgewährung ab 30. September 2000. Sie stellte sich wegen Kinderbetreuung für 25 Wochenstunden zur Verfügung. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 3. November 2000 Alg ab dem 30. September 2000 für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen (Vomhundertsatz 67, Leistungsgruppe D, Kindermerkmal 1). Der Bewilligung wurde ein Bemessungsentgelt (= wöchentliches Bruttoarbeitsentgelt) von 360,00 DM zugrunde gelegt. Die Beklagte berücksichtigte hierzu den in den 52 Wochen vor dem 30. September 2000 erzielten Verdienst der Klägerin. Wegen der Höhe des Alg legte die Klägerin Widerspruch ein. Damit begehrte sie im Wesentlichen die Berücksichtigung des Verdienstes aus ihrer Vollzeittätigkeit, also den Verdienst vor der Geburt ihres Sohnes. Wegen des Erziehungsgeldbezuges bzw wegen des Erziehungsurlaubes habe sie nur 19 Wochenstunden arbeiten dürfen. Würde das Entgelt aus dieser Zeit zugrunde gelegt, würde sie als Mutter unangemessen benachteiligt. Aufgrund des Widerspruchs wandte die Beklagte zugunsten der Klägerin die Härtefallregelung des § 131 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) an und berücksichtigte den Verdienst, den die Klägerin in dem Zeitraum von 2 Jahren vor dem 30. September 2000 erzielt hatte, also auch teilweise den Monatsverdienst von 2.200,00 DM. Danach errechnete sich ein Bemessungsentgelt von 470,00 DM. Mit Bescheid vom 9. Januar 2001 bewilligte die Beklagte dementsprechend das Alg für die Klägerin ab dem 30. September 2000 (wöchentlicher Zahlbetrag 164,22 DM). Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2001 wurde der weitergehende Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin hat am 2. März 2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sie vor dem Erziehungsurlaub in Vollzeit gearbeitet habe. Nach der Geburt habe sie für 1 Jahr Erziehungsgeld bezogen, danach sei es wegen Überschreitens der Höchstgrenze nicht mehr weiterbewilligt worden. Wegen des Erziehungsurlaubs bzw wegen der Gewährung des Erziehungsgeldes habe sie ihre Beschäftigung auf 19 Wochenstunden beschränken müssen, um in den weiteren Genuss des Erziehungsgeldes bzw des Erziehungsurlaubes zu kommen. Würde ihr Alg nur unter Berücksichtigung der verminderten Arbeitszeit bewilligt, würde sie als Mutter benachteiligt. Die Beklagte hat erwidert, dass die Vorschrift des § 131 Abs 2 Nr 1 SGB III, welche die Klägerin angewendet wissen wolle, nicht e...

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