Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. selbstständige Erwerbstätigkeit. letzter abgeschlossener Veranlagungszeitraum. Verschiebung des Bemessungszeitraums bei Bezug von Elterngeld für älteres Kind
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Elternteil Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt und hat es in den beiden Kalenderjahren vor der Geburt des jüngsten Kindes jeweils zeitweilig Elterngeld für die Betreuung eines älteren Kindes bezogen, dann stellt auf seinen Antrag das dritte Kalenderjahr vor der Geburt des jüngsten Kindes den für die Ermittlung des einkommensabhängigen Elterngeldes maßgeblichen Bemessungszeitraum dar.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 8. März 2018 aufgehoben.
Der Bescheid des Beklagten vom 9. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2016 wird geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Höhe des der Klägerin für den Zeitraum 17. Oktober 2016 bis zum 16. Oktober 2017 zuerkannten Elterngeldes unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates neu zu berechnen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihres am 17. Oktober 2016 geborenen dritten Kindes F. im ersten Lebensjahr, d.h. für den Zeitraum vom 17. Oktober 2016 bis zum 16. Oktober 2017.
Bis Ende 2013 war die Klägerin als selbständige Gewerbetreibende beruflich tätig. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes G. vom 3. März 2015 erzielte sie 2013 zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einer Gesamthöhe von 14.980 €.
Am 4. Februar 2014 wurde das zweite Kind der Klägerin H. geboren. Im Hinblick auf die bevorstehende Niederkunft hatte die Klägerin ihren Gewerbebetrieb zum Jahresende 2013 aufgegeben; die förmliche Abmeldung des Gewerbes bei der Gemeinde erfolgte am 2. Januar 2014.
Ausgehend von den im Jahr 2013 erzielten Einkünften der Klägerin aus Gewerbetrieb bewilligte der beklagte Landkreis der Klägerin mit Bescheid vom 27. April 2015 für die Betreuung ihres zweiten Kindes H. im ersten Lebensjahr vom 4. Februar 2014 bis zum 3. Februar 2015 Elterngeld in Höhe von monatlich 874,82 € für die ersten elf Lebensmonate und in Höhe von 795,29 € für den zwölften Lebensmonat.
Seit Januar 2014 ging die Klägerin keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach, sondern widmete sich der Betreuung ihrer damals zwei Kinder (vgl. auch die Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes G. vom 28. Juli 2015 für das Jahr 2014 und vom 19. April 2016 für das Jahr 2015, die auf Seiten der Klägerin jeweils keine steuerpflichtigen Einnahmen ausweisen).
Im Zuge der erneuten Schwangerschaft erkundigte sich die Klägerin Ende Mai 2016 bei dem beklagten Landkreis nach der Höhe des erneut zu erwartenden Elterngeldes. Dieser teilte ihr mit Email vom 1. Juni 2016 mit, dass aufgrund des Eingreifens sog. “Verschiebemerkmale„ im Sinne des Bezuges von Elterngeld für ein älteres Kind weiterhin das Einkommen der Klägerin aus dem Jahr 2013 als Berechnungsgröße heranzuziehen sei, so dass für das dritte Elterngeld in etwa der Höhe zu gewähren sei, wie dies bereits für das zweiter Kind H. erfolgt sei.
Auf den nach der Geburt des dritten Kindes von der Klägerin am 1. November 2016 gestellten Elterngeldantrag bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2016 für den beantragten Bewilligungszeitraum vom 17. Oktober 2016 bis zum 16. Oktober 2017 Elterngeld jedoch lediglich in Höhe des Grundbetrages von monatlich 300 € nach § 2 Abs. 4 BEEG zuzüglich des Geschwisterbonus in Höhe von 75 € gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 BEEG.
Zur Begründung erläuterte der beklagte Landkreis, dass die Klägerin 2014 weder Einnahmen noch Ausgaben aus dem früheren Gewerbebetrieb gehabt habe. Bei dieser Ausgangslage komme eine Zurückverlagerung des der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legenden Gewinnermittlungszeitraums in Anwendung des § 2b Abs. 2 Satz 2 BEEG auf das Jahr 2013 nicht in Betracht. Die E-Mail-Auskunft des Sachbearbeiters vom 1. Juni 2016 sei inhaltlich unzutreffend gewesen, vermöge aber keinen Vertrauensschutz zu vermitteln.
Zur Begründung der am 19. Dezember 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass nach den gesetzlichen Vorgaben des § 2b Abs. 2 Satz 2 BEEG ihre im Jahr 2013 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Elterngeldberechnung zugrunde zu legen seien.
Mit Urteil vom 8. März 2018, der Klägerin zugestellt am 7. April 2018 (der Vermerk des Zustellers auf der PZU “070318„ beinhaltet offenbar einen Schreibfehler; das Urteil ist erst am 5. April 2018 zur Post gegeben worden), hat das Sozialgericht Lüneburg die Klage abgewiesen. Zwar seien die Monate des Bezuges von Elterngeld in dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum 2015, d.h. die Monate Januar und Februar 2...