Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Feststellung von Pflegebedürftigkeit. zuckerkrankes Kind. Versorgung mit einer Insulinpumpe. Hilfestellungen bei Blutzuckermessung und Bolus-Insulingabe keine Behandlungspflege im Zusammenhang mit der Verrichtung der Nahrungsaufnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Hilfestellungen bei der Bestimmung des Blutzuckerwertes sind bei Zuckerkranken auch dann nicht der Verrichtung der Nahrungsaufnahme zuzurechnen, wenn wegen der Versorgung mit einer Insulinpumpe die Blutzuckermessungen in engerer zeitlicher Beziehung zu dieser Verrichtung stehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.04.2017; Aktenzeichen B 3 P 2/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Oldenburg vom 18. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegeleistungen entsprechend der Pflegestufe I.

Die am 27. September 2011 geborene Klägerin leidet unter einer Zuckerkrankheit (Typ I). Am 19. Februar 2013 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Pflegeleistungen. Aus einem Bericht des Klinikums N. vom 15. Februar 2013 ergibt sich, dass sie mit einer Insulinpumpe ausgestattet ist. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin. In dem Gutachten vom 26. März 2013 schätzte der MDK den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf 15 Minuten ein. Mit Bescheid vom 28. März 2013 lehnte daraufhin die Beklagte die Gewährung von Pflegeleistungen ab. Mit ihrem Widerspruch vom 25. April 2013 machte die Klägerin u. a. geltend, Hilfebedarf beim zweimal täglichen Baden, siebenmal täglichen Windel-Wechsel, vielfachen Eincremen der Hände und Hände-Waschen zu haben. In einem weiteren Gutachten vom 8. August 2013 schätzte der MDK den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf 14 Minuten ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 13. November 2013 hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Hilfebedarf sei wesentlich höher als vom MDK eingeschätzt. So fielen für das zweimal am Tag stattfindende Baden und die fünfmal wöchentlich durchgeführte Ganzkörperwäsche sechs Minuten mehr an. Um eine Unterzuckerung zu vermeiden werde ihr nachts ein Apfelsaft zum Trinken gegeben, danach müsse sie ihre Zähne putzen und brauche dazu zusätzliche drei Minuten Hilfe. Der Windelwechsel nehme mehr Zeit in Anspruch, ebenso das An- und Auskleiden dreimal täglich, schließlich sei auch die Hilfe beim Blutzuckermessung sowie beim Reinigen der Einstich-Stellen zu berücksichtigen. Viermal wöchentlich müsse der Katheter der Insulinpumpe gewechselt werden, dies bedeute einen Hilfebedarf von elf Minuten zusätzlich. Das Richten der Insulinpumpe nehme siebeneinhalb Minuten täglich in Anspruch.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat diverse Krankenhausberichte aus den Jahren 2012 bis 2014 beigezogen sowie einen Befundbericht des Klinikums N. (Oberärztin O.) vom 22. August 2013 und des dortigen Medizinischen Versorgungszentrums vom 11. Februar 2014 sowie einen Befundbericht des Kinderarztes Dr. P. vom 21. Februar 2014 nebst neuerer Krankenhausberichte und einen Bericht des Klinikums N. vom 10. März 2014. Dazu hat der MDK am 7. April 2014 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Im Auftrag des SG hat die Pflegesachverständige Prof. Dr. Q. am 24. Juni 2014 das Gutachten über die Klägerin erstattet und darin den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf 61 Minuten eingeschätzt. Mit Datum vom 20. Oktober 2014 hat sie eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und darin noch einen zusätzlichen Hilfebedarf für das An- und Abschnallen der Insulinpumpe sowie weitere acht Minuten für zusätzliches An- und Auskleiden wegen häufigen Schwitzens angenommen.

Mit Urteil vom 18. Februar 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung folgendes angeführt: Entgegen den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Q. benötige die Klägerin keinen Hilfebedarf von mindestens 46 Minuten täglich für die Verrichtungen der Grundpflege. Die Sachverständige habe zu Unrecht 14 Minuten bei der Nahrungsaufnahme für die Blutzuckermessung und die Insulingabe berücksichtigt, denn diese seien nicht dem Bereich der Grundpflege sondern der Behandlungspflege zuzuordnen. Auch die von der Sachverständigen angenommenen 20 Minuten für Hilfen beim Waschen der Hände vor der Blutzuckermessung seien nicht zu berücksichtigen. Das Händewaschen stelle insoweit keine Maßnahme der Körperpflege dar sondern es stehe vielmehr in unmittelbarem Zusammenhang mit einer krankheitsspezifischen Maßnahme der Behandlungspflege. Zu beachten sei aber, dass das Tragen des Katheters nicht nur beim An- und Ausziehen einen Mehraufwand von zwei Minuten bewirke sondern auch beim An- und Absch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge