Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Therapiedreirad mit Elektrounterstützung
Orientierungssatz
Zum Anspruch auf Hilfsmittelversorgung mit einem durch Elektromotor unterstützten Therapiedreirad.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad mit E-Unterstützung hat.
Die 1970 geborene Klägerin leidet unter multipler Sklerose, Einschränkungen durch ein künstliches Sprunggelenk (Zustand nach OSG-TEP rechts) und einer Brustkrebserkrankung. Der Facharzt für Orthopädie Dr. F. verordnete ihr unter Angabe dieser Diagnosen unter dem 1. Juni 2018 ein Dreirad mit E-Unterstützung. Ausweislich des vorgelegten Kostenvoranschlages vom 6. Juli 2018 belaufen sich die Kosten für ein Therapiedreirad, verstärkt mit Motor, Hilfsmittelverzeichnis (HMV) 22.51.02. 00418, auf insgesamt 6.788,14 Euro.
Am 6. Juli 2018 stellte sie einen Antrag auf Kostenübernahme für das begehrte Hilfsmittel bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass eine Entscheidung binnen der gesetzlich vorgegebenen Frist von drei Wochen nicht möglich sei, weil weitere ärztliche Unterlagen angefordert werden müssten, die noch nicht vorliegen würden. Eine Entscheidung werde spätestens bis zum 26. Juli 2018 erfolgen.
Die Beklagte forderte eine weitere Stellungnahme des behandelnden Arztes an. Dieser teilte unter dem 29. Juli 2018 mit, dass die Klägerin in der Lage sei, sich mit zumutbarer Anstrengung und der erforderlichen Sicherheit mit dem Therapiedreirad mit Elektrounterstützung fortzubewegen. Als spezieller Nutzungszweck gab der Arzt eine verbesserte Mobilität im Nahbereich und auch für die längeren Strecken, eine Erhaltung der Mobilität sowie Muskeltraining an. Bei der vorliegenden Diagnose sei eine Mobilisation der unteren Extremitäten unbedingt erforderlich. Die Klägerin sei nach medizinischen Erkenntnissen gegenwärtig und voraussichtlich noch für einen längeren Zeitraum in der Lage, das Therapiedreirad mit Elektrounterstützung mit der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Sicherheit zu führen. Die Nutzung des Dreirades sei Bestandteil der Krankenbehandlung. Hierzu sei ein Therapieplan erstellt worden. Die Einhaltung des Therapieplans werde im Rahmen regelmäßiger ambulanter Vorstellungen in der Praxis überwacht. Aufgrund der Schwere der Erkrankung seien Maßnahmen der physikalischen Therapie notwendig. Durch den Einsatz des Dreirades sei eine Reduktion der bisherigen Therapie-/Behandlungsfrequenzen vorgesehen. Der umliegende Nahbereich könne nicht unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln der Produktgruppe 10 (Gehhilfen) oder 18 (Krankenfahrzeuge) erschlossen werden.
In seiner Kurzstellungnahme empfahl der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK, seit dem 1. Juli 2021 MD) das Hilfsmittel nicht. Das beantragte Therapiedreirad mit Elektromotor sei medizinisch nicht indiziert. Die Erhaltung der Mobilität über den Nahbereich hinaus, falle nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Mit Bescheid vom 11. Juli 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme eines Therapiedreirades mit Elektromotor ab. Versicherte hätten gemäß § 33 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit diese Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach den Vorgaben des Gesetzgebers ausdrücklich ausgeschlossen seien. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KKen nicht bewilligen. Zur Beratung über medizinische Aspekte der gewünschten Versorgung sowie eventuelle Alternativen sei der MDK um Rat gebeten worden. Der MDK sei zu dem Ergebnis gelangt, dass das beantragte Therapiedreirad mit Elektromotor medizinisch nicht indiziert sei. In der Regel seien Therapiedreiräder für Kinder zur Integration in die Gruppe gedacht. Für Erwachsene seien Therapiedreiräder aus sozialmedizinischer Sicht nur dann indiziert, sofern sie Teil eines Therapiekonzeptes seien - also der Therapie dienten. Therapiedreiräder mit einem Elektromotor dienten nicht der Therapie. Die Erhaltung der Mobilität über den Nahbereich hinaus, falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der GKV. Ein Ermessensspielraum bestehe in Bezug auf den Leistungsantrag der Klägerin nicht. Eine Kostenübernahme des ...