Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Rückerstattung eines Heizkostenguthabens. keine Minderung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei Ansparung eines Teils der Heizkostenvorauszahlung aus der Regelleistung. Aufhebung einer Bewilligung. Wesentliche Änderung. Angemessene Heizkosten. Überhöhte Abschlagszahlung. Typisierung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Eine Heizkostenrückerstattung des Energieversorgers ist jedenfalls dann nicht nach § 22 Abs 3 SGB 2 auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung anzurechnen, wenn der Grundsicherungsträger die Heizkosten nur in angemessener Höhe übernommen hat und der Rückerstattungsbetrag vom Hilfebedürftigen allein aus dem Regelbedarf erbracht worden ist. Dem steht neben dem Sinn und Zweck der Regelung auch der Wortlaut des § 22 Abs 3 SGB 2 in der ab 1.4.2011 (BGBl I, 850) geltenden Fassung entgegen (Abgrenzung zu BSG vom 12.12.2013 - B 14 AS 83/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 74; BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R = BSGE 110, 294 = SozR 4-4200 § 22 Nr 55).
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1, 3, §§ 11, 11a Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 48 Abs. 1; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Berücksichtigung einer Heizkostenrückerstattung des Energieversorgers.
Die 1953 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die von ihr gemietete, 84 qm große Wohnung in I. hat sie eine monatliche Kaltmiete von 340 € zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung von 32 € aufzuwenden. Durch eine Untervermietung erzielt sie monatlich 120 €. Nach ihren Angaben beheizt der Untermieter das von ihm gemietete Zimmer mittels eines Elektroradiators. Sie selbst nutzt für die Warmwasserbereitung einen Boiler.
Unter dem 22. Februar 2010 forderte die für den Beklagten handelnde Stadt I. die Klägerin auf, die Heizkosten zu senken. Nach der Abrechnung des Energieversorgers vom 27. Januar 2011 belief sich der von der Klägerin zu zahlende Heizkostenabschlag ab Februar 2011 auf monatlich 115 €. Ausweislich dreier (teilweise auch Änderungs-)Bescheide vom 13. Juli 2011 für die Zeit von Januar bis Februar 2011, von März bis August 2011 und von September 2011 bis Februar 2012 übernahm der Beklagte indes lediglich 60,03 € der Heizkostenabschläge als angemessen zuzüglich eines Betrages von 8,37 € monatlich für die Kosten der Warmwasserbereitung (insgesamt 68,40 €). Damit blieben die von der Klägerin zu zahlenden Abschlägen in Höhe von 46,60 € monatlich ungedeckt.
Unter dem 16. Januar 2012 erstellte der Energieversorger die Jahresrechnung für Strom und Gas. Für die Zeit vom 21. Januar 2011 bis zum 30. Dezember 2011 ermittelte er dabei einen Erdgasverbrauch in Höhe von 968,04 €. Dem standen geleistete Abschläge für die Zeit von Februar 2011 bis Januar 2012 in Höhe von 1380 € gegenüber, sodass sich ein Guthaben der Klägerin von 411,96 € ergab. Unter Berücksichtigung der im gleichen Zeitraum geleisteten Abschläge für die Stromlieferung belief sich der tatsächliche Erstattungsbetrag auf 546,11 €.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2012 hob die für den Beklagten handelnde Stadt I. den Bescheid vom 13. Juli 2011 teilweise für den Monat Februar 2012 auf. Das Heizkostenguthaben in Höhe von 411,96 € sei im Monat Februar in Höhe von 326,97 € und in Höhe von 84,99 € im Monat März zu berücksichtigen. Über die weitere Leistungsbewilligung für März 2012 wurde in dem Bescheid nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 erhob die Klägerin dagegen Widerspruch. Sie trug vor, dass ein zwischenzeitlich verstorbener Nachbar ihre Leitungen angezapft habe und daher der Energieversorger die Vorauszahlungen erhöht habe. Sie habe dafür ein Darlehen aufnehmen müssen, das sie am 25. Januar 2012 aus der Heizkostenrückerstattung in Höhe von 480 € zurückgezahlt habe; eine entsprechende Bescheinigung des Darlehensgebers war beigefügt.
Am gleichen Tag suchte die Klägerin beim zuständigen Sozialgericht (SG) Aurich um einstweiligen Rechtsschutz nach. Das SG ordnete mit rechtskräftigem Beschluss vom 23. März 2012 - S 35 AS 39/12 ER - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid vom 21. Februar 2012 an. § 22 Abs. 3 SGB II sei zwar dem Wortlaut nach, nicht jedoch aus systematischen Gründen auf die vorliegende Konstellation anzuwenden, bei der das Heizkostenguthaben auf angesparten Regelleistungen beruhe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2013 half der Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der Anrechnung von 84,99 € auf die Leistungen für den Monat März 2012 ab. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei unerheblich, wie sich die Rückzahlung zusammensetze. Wenn Rückzahlungen oder Guthaben, die die Zeit vor dem Leistungsbezug beträfen, anzurechne...