Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsschuldner. Beitragsabführung durch Einzugsermächtigungslastschriftverfahren. Rückbuchung im Rahmen des Insolvenzverfahrens durch Insolvenzverwalter. Erfüllung der Beitragsforderung. konkludente Genehmigung. objektiver Erklärungswert
Orientierungssatz
Eine konkludente Genehmigung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits Genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Maßgeblich für das Vorliegen einer konkludenten Genehmigung einer im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren vorgenommenen Kontobelastung ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Kontoinhabers (vgl BGH vom 1.3.2011 - XI ZR 320/09 = NJW 2011, 1434). Das rein passive Geschehen lassen des Lastschrifteinzuges ist hierfür nicht ausreichend. Denn ein objektiver Erklärungswert ist dem Schweigen im Rechtsverkehr gerade nicht immanent.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 1.923,75 EURO.
Der Kläger ist bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert. Mit seinem damaligen Arbeitgeber, der Firma Norddeutsche Wäschefabrik GmbH, bestand eine Abrede, wonach dieser die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für den Kläger an die Beklagte abführt. Auf Grundlage einer erteilten Einzugsermächtigung buchte die Beklagte die fälligen Beiträge regelmäßig beim Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ab.
Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers im April 2010 nahm der vorläufige Insolvenzverwalter eine Stornierung sämtlicher Lastschriften vor. Die eingezogenen Beiträge für die Monate Januar, Februar und März 2010 (dreimal 641,25 EURO = 1.923,75 EURO) wurden zurückgebucht. Die Beiträge für die folgenden Monate wurden durch den Insolvenzverwalter nicht mehr zur Zahlung angewiesen.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2010 setzte die Beklagte gegen den Kläger ab dem 1. Januar 2010 monatliche Gesamtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 641,25 EURO fest. Die bis dahin aufgelaufene Gesamtforderung belief sich auf 3.750,00 EURO. Zur Erläuterung führte sie aus, dass im Rahmen des Insolvenzausfallgeldes die evtl. nicht bezahlten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge durch die zuständige Agentur für Arbeit für bis zu drei Monate direkt bezahlt würden. Dies gelte jedoch nicht für die freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die der Kläger vielmehr selbst zu tragen habe.
Der Kläger erhob unter dem 5. Juli 2010 Widerspruch und trug vor, dass die Beiträge für die Monate Januar bis März 2010 bereits vom Gehalt abgezogen worden seien. Durch die Zahlung des Arbeitgebers sei eine Erfüllung der Beitragspflicht eingetreten. Er sah sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10. Juni 2008 (XI ZR 283/07) gestützt. Die Beitragszahlung sei aus der Nettovergütung des Klägers geleitstet worden und ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters hätte allenfalls gegenüber dem Kläger bestanden. Aufgrund der eingetretenen Erfüllung führe die Rückbuchung der Beiträge auch nicht etwa zu einem Wiederaufleben der Beitragsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten, sondern die unbegründete Ausübung des Widerspruchsrechts im Lastschriftverfahren führe - zum Nachteil der Beklagten - zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse. Die Beklagte habe daher etwaige Ansprüche ihrerseits gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach §§ 250, 252 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 60 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sei der Kläger als freiwillig Versicherter selbst zur Beitragszahlung verpflichtet. Bei den Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung handele es sich nicht um einen Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Bereits hieraus ergebe sich, dass für den Arbeitgeber grundsätzlich keine Verpflichtung zur Abführung des Beitrages zur freiwilligen Versicherung bestehe. Es handele sich lediglich um eine Dienstleistung gegenüber dem freiwillig versicherten Arbeitnehmer; dieser bleibe aufgrund der gesetzlichen Reg...