Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Pflichtbeitragszeit. Besuch einer gewerblichen Fachschule. Beschäftigung als Lehrling. Ausbildungsverhältnis. Versicherungspflicht
Orientierungssatz
1. Der Besuch einer dreijährigen gewerblichen Fachschule, in der überwiegend berufspraktische Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt wurden und deren Abschlussprüfung zugleich als Gesellenprüfung in einem anerkannten handwerklichen Ausbildungsberuf galt, kann eine Beschäftigung "als Lehrling" iS des § 247 Abs 2a SGB 6 sein.
2. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligten des Ausbildungsverhältnisses von dem Eintritt einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegangen sind und auch dann, wenn ein förmlicher Ausbildungsvertrag nicht abgeschlossen worden ist.
Normenkette
SGB VI § 247 Abs. 2a; RVO § 165 Abs. 1, § 165a Nr. 2, § 1226 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Juli 1956 als Pflichtbeitragszeit ohne Beitragszahlung gemäß § 247 Abs. 2 a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen ist.
Der 1939 geborene Kläger hat in der Zeit vom 1. September 1953 bis zum 31. Juli 1956 die Gewerbliche Fachschule der Stadt I. /Fachschule für Maschinenbau besucht. Diese bot zum damaligen Zeitpunkt besondere Ausbildungsgänge für Maschinenbauer und für das Mechanikerhandwerk an. Nach dem Merkblatt der Schule betrug die Arbeitszeit zum damaligen Zeitpunkt 48 Stunden wöchentlich, wovon 34 Stunden in der der Schule angegliederten Werkstatt zu arbeiten waren. 14 Stunden entfielen auf theoretischen Unterricht. Nach anderen Angaben könnte die Verteilung auch 33 zu 15 Wochenstunden bzw. 36 zu 12 Wochenstunden betragen haben. Das Merkblatt enthält den Hinweis, dass ein Lehrvertrag nicht abgeschlossen werde. Ein Entgelt wurde den Schülern nicht gezahlt. Sie hatten der Schule Materialverbrauchskosten in Höhe von insgesamt 120,-- DM für die Dauer der dreijährigen Ausbildung zu zahlen. Voraussetzung für die Aufnahme in der Schule war u.a. der Nachweis des Bestehens eines Krankenversicherungsschutzes. Nach dem Merkblatt galt die Abschlussprüfung zugleich als Gesellenprüfung für das Mechanikerhandwerk, so dass neben dem Abschlusszeugnis auch ein Gesellenbrief erteilt werden würde. Die praktische Ausbildung wurde dem Kläger von Handwerksmeistern erteilt, im zweiten und dritten Jahr seiner Ausbildung von dem Werkzeugmachermeister W. J., der sich im Verlauf des Verwaltungsverfahrens schriftlich geäußert hat. Nach seiner Aussage befanden sich pro Jahrgang etwa 30 bis 35 Schüler in der Ausbildung.
Für die Zeit des Besuches der gewerblichen Fachschule wurden für den Kläger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht entrichtet. Im Juli 1956 hat der Kläger die Abschlussprüfung bestanden und einen “Ausweis für den Mechanikergesellen" erhalten.
Mit Bescheid vom 29. Januar 1998 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI die versicherungsrechtlich relevanten Sachverhalte fest. In dem Bescheid ist die Zeit vom 16. März 1955 bis zum 31. Juli 1956 als Zeit einer Fachschulausbildung anerkannt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass nur die Zeit seit dem 16. März 1956 bis zum 31. Juli 1956 als Zeit einer Schulausbildung anrechenbar sei.
Im August 1999 beantragte der Kläger, die gesamte Zeit des Besuches der Gewerblichen Fachschule als Zeit einer fiktiven Beitragszahlung gemäß § 247 Abs. 2 a SGB VI zu berücksichtigen. Er habe sich nicht in einer Fachschulausbildung im Sinn des Rentenversicherungsrechtes befunden.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2000 lehnte die Beklagte die Feststellung der streitigen Zeit als fiktive Beitragszeit ab. Voraussetzung für die Anerkennung der Zeit sei gemäß § 247 Abs. 2 a SGB VI das Bestehen eines Lehrverhältnisses und eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Indizien dafür seien die Existenz eines Lehrvertrages, die Anmeldung des Auszubildenden bei der Krankenkasse und die Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in die Lehrlingsrolle der Handwerkskammer. Alles dieses habe im Falle des Klägers gefehlt. Die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Versicherungspflicht von Krankenpflegeschülern entwickelten Grundsätze seien auf den Fall des Klägers nicht anwendbar. Denn anders als der Kläger hätten die Krankenpflegeschüler einen Ausbildungsvertrag, erhielten ein Entgelt, unterlägen der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers und erbrächten Arbeitsleistungen, die für den Ausbildungsbetrieb von wirtschaftlichem Wert seien.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und den Anspruch weiter verfolgt. Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, seine Ausbildung sei wie eine “reguläre" Lehre gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Lehrwerkstatt in die Schule integriert gewesen sei.
Mit Urteil vom 14. Januar 2002 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 247 Abs. 2 a SGB VI lägen nicht vor. In d...