Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Verletzung der Fortbildungspflicht. Beurteilung durch Sozialgerichte. Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
Bei Beurteilung der Frage, ob ein Vertragspsychotherapeut sich in ausreichendem Umfang im Sinne von § 95d SGB V fortgebildet hat, haben die Sozialgerichte regelmäßig die Bewertung der Psychotherapeutenkammer und das Ergebnis eines hierüber geführten Verwaltungsrechtsstreits zugrunde zu legen.
Orientierungssatz
Eine Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung kann auch bei Verletzungen der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB 5 in Betracht kommen (vgl BSG vom 11.02.2015
- B 6 KA 37/14 B = juris RdNr 8).
Nachgehend
Tenor
Die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 6. April 2016 wird abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3 und die Beklagte 1/3 der Kosten beider Rechtszüge, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des zweiten Rechtszuges wird auf 7.336 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung.
Der 1942 geborene Kläger ist seit dem 26. März 1999 als Psychologischer Psychotherapeut in D. niedergelassen und zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Nachdem er gegenüber der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) bis zum 30. Juni 2009 keinen Nachweis über eine ausreichende fachliche Fortbildung nach § 95d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erbracht hatte, kürzte die Beigeladene zu 1. sein Honorar zunächst um 10 vH (Quartale III/2009 bis II/2010) und sodann - ab dem Quartal III/2010 - um 25 vH. Unter Hinweis auf ein mögliches Zulassungsentziehungsverfahren gab sie dem Kläger nochmals Gelegenheit, den Nachweis über die Erlangung der notwendigen 250 Fortbildungspunkte bis zum 31. August 2011 zu erbringen (Schreiben vom 10. März und 18. Juli 2011).
Im weiteren Verlauf zog die Beigeladene zu 1. eine Auskunft der Gemeinsamen Akkreditierungs- und Zertifizierungsstelle der Psychotherapeutenkammern Niedersachsen (PKN) und Bremen bei. Danach wies das dort geführte Fortbildungskonto des Klägers für den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 1. Januar 2011 einen Punktestand von 81 Fortbildungspunkten auf (Schreiben vom 26. September 2011). Auf den daraufhin von der Beigeladenen zu 1. gestellten Antrag entzog der Zulassungsausschuss D. für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit (ZA) dem Kläger die Zulassung als Vertragspsychotherapeut mit Wirkung zum 23. Februar 2012. Als Grund führte der ZA an, dass der Kläger den Nachweis über eine ausreichende fachliche Fortbildung nicht erbracht habe und sich auch durch die empfindlichen Honorarkürzungen nicht habe beeindrucken lassen. Damit habe er sich nachhaltig seiner Fortbildungsverpflichtung verweigert und seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (Beschluss vom 22. Februar 2012).
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er habe die Fortbildungspflicht durch eigene Forschungsarbeiten und sein Literatur- und Selbststudium erfüllt. Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten habe er bei der PKN zwecks Akkreditierung eingereicht. Die dazu in der Auskunft der Gemeinsamen Akkreditierungs- und Zertifizierungsstelle aufgeführte Gutschrift von lediglich einem Punkt sei falsch; hiergegen habe er Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) D. erhoben. Davon unabhängig liege keine gröbliche Pflichtverletzung vor. Zudem sei die vollständige Entziehung der Zulassung weder erforderlich noch verhältnismäßig, weil eine hälftige Zulassungsentziehung oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung die gleichen Wirkungen entfaltet hätten. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger Bescheinigungen über seine Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und ein aktualisiertes Fortbildungskonto der Gemeinsamen Akkreditierungs- und Zertifizierungsstelle vom 24. Juli 2012 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 26. September 2012 - zur Post gegeben am 31. Oktober 2012 - hat der beklagte Berufungsausschuss (BA) den Widerspruch zurückgewiesen. Die Dauer und Nachhaltigkeit, mit der der Kläger seine Pflicht zur fachlichen Fortbildung und entsprechende Nachweisführung gegenüber der KÄV verletze und Hinweise ignoriere, rechtfertigten die Einschätzung, dass der Kläger seine vertragspsychotherapeutischen Pflichten gröblich verletzt habe. Im Hinblick auf die eigene Forschungsarbeit trage er das Risiko der Anerkennung als Fortbildungsleistung. Unabhängig davon sei dem Kläger die Zulassung auch aus dem Grund zu entziehen, dass er seit mehr als sieben Jahren keine vertragspsychotherapeutische Tätigkeit in nennenswertem Umfang mehr ausgeübt habe. In den letzten vier Quartalen vor der Entscheidung des Ausschusses habe der Kläger insgesamt lediglich sechs Fälle abgerechnet. Indem er die ihm obliegende Fortbildungsverpflichtung nicht erfüllt habe und die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ...