rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Osnabrück (Entscheidung vom 08.02.2001; Aktenzeichen S 11 RI 216/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 8. Februar 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung für den vom Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 1970 bis 28. Februar 1971 absolvierten Besuch einer Tagesbildungsstätte für geistig behinderte Menschen.
Der am 1. Januar 1953 geborene Kläger ist stark geistig behindert und leidet unter anderem unter einem Anfallsleiden. Er ist als schwerbehinderter Mensch nach den Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts (SchwbG/SGB IX) mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Darüber hinaus wurden ihm die Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" zuerkannt.
Der Kläger besuchte seit August 1961 nach Befürwortung durch das Gesundheitsamt der Stadt H. zunächst eine Kindertagesstätte des Vereins für I. e.V. und in der Zeit vom 1. Januar 1969 bis 28. Februar 1971 eine Tagesbildungsstätte desselben Trägers. Die Unterrichtung in der Tagesbildungsstätte folgte einem bestimmten Lehrplan: Je nach den Möglichkeiten des behinderten Menschen zielte dieser auf das Erlernen elementarer Kulturtechniken, aber auch auf bestimmte Sachkundebereiche ab. Die Unterrichtung erfolgte in Gruppen an fünf Tagen in der Woche jeweils bis ca. 15.00 Uhr. In regelmäßigen Abständen wurden sogenannte "Entwicklungsberichte" erstellt. Zum Ende des Besuchs der Tagesbildungsstätte wurde ein "Abschlussbericht" angefertigt. Die Kosten für den Besuch der Kindertages- bzw. der Tagesbildungsstätte trug der zuständige Sozialhilfeträger. Im Anschluss an den Besuch der Tagesbildungsstätte wurde der Kläger ab dem 1. März 1971 in den Arbeitstrainings- und sodann in den Arbeitsbereich der Werkstatt für Behinderte (WfB) J. der K. übernommen. Für die Tätigkeit in der WfB sind im Versicherungsverlauf des Klägers seit dem 1. Juli 1975 Pflichtbeiträge verzeichnet. Seit dem 1. Juli 1995 bezieht er von der Beklagten eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU).
Im März 1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Klärung seines Versichertenkontos. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 10. Mai 1995 die bis zum 31. Dezember 1988 vorgemerkten rentenrechtlichen Zeiten als verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie den Zeitraum vom 1. Januar 1969 bis 28. Februar 1971 nicht, weil diese Zeit nicht als Zeit einer schulischen Ausbildung angesehen werden könne. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger unter anderem geltend, dass es sich bei der von ihm besuchten Tagesbildungsstätte um eine von der Schulbehörde anerkannte Einrichtung handele, mit der geistig behinderte Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen könnten. Der Besuch der Tagesbildungsstätte ersetze den Besuch der Sonderschule G und sei diesem daher gleichzusetzen. Tagesbildungsstätten unterlägen auch der staatlichen Schulaufsicht. Daher sei eine unterschiedliche Berücksichtigung der Zeiten des Besuchs einer anerkannten Tagesbildungsstätte gegenüber Zeiten in einer staatlichen Sonderschule G nicht zu rechtfertigen.
Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Auskunft der Gemeinnützigen Werkstätten L. vom 27. September 1995 ein, deren Gesellschafter u.a. der Träger der vom Kläger besuchten Tagesbildungsstätte ist. Ferner wurde der Beklagten von dort eine Stellungnahme der Bezirksregierung M. vom 26. September 1995 übersandt, nach der der Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte durch geistig behinderte Kinder und Jugendliche dem Besuch einer öffentlichen Sonderschule gleichzusetzen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass der Besuch der Tagesbildungsstätte nicht die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Kriterien für die Anerkennung einer Schulausbildung erfülle. Die Ausbildung müsse zumindest annähernd derjenigen entsprechen, die den Schülern an allgemeinbildenden Schulen vermittelt werde. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen, wie sich insbesondere aus dem Entwicklungsbericht vom 17. Dezember 1970 ergebe. Danach habe der Kläger lediglich einfachste Tätigkeiten verrichten können; auch für diese habe er der ständigen Anleitung bedurft. Konzentration, Ausdauer und Bewegungen seien bei ihm durch das Anfallsleiden deutlich eingeschränkt.
Mit seiner dagegen vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren bekräftigt. Ergänzend hat er auf die Stellungnahme der Bezirksregierung M. vom 26. September 1995 und den Inhalt der Auskunft der Gemeinnützigen Werkstätten L. vom 27. September 1995 Bezug genommen. Der Schulbetrieb mit geistig behinderten Menschen könne demnach nicht mit einem Schulbetrieb an Regelschulen gleichgesetzt werden. Die Auslegu...