Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsrente. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Anwendbarkeit der 4-Jahresfrist des § 44 Abs 4 SGB 10
Orientierungssatz
Die Begrenzung rückwirkend zu zahlender Sozialleistungen auf einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Stellung des Antrages auf Rücknahme ist auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch anwendbar.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin von der Beklagten verlangen kann, ihr Erziehungsrente nicht erst für die Zeit ab Juni 1996, sondern bereits für die Zeit ab dem 10. Januar (hilfsweise ab dem 1. Februar bzw. 1. März) 1991 zu zahlen.
Die 1959 geborene Klägerin hatte am 1. Oktober 1982 den 1962 geborenen F K (im Folgenden: Versicherter) geheiratet. Aus der Ehe war das Kind P, geboren ... 1983, hervorgegangen. Die Ehe war am 9. November 1988 geschieden worden. Das Amtsgericht (SG) Winsen/Luhe hatte der Klägerin die elterliche Sorge für P zugesprochen. Im Übrigen war im Wege des Versorgungsausgleichs vom Rentenkonto des Versicherten eine monatliche Anwartschaft in Höhe von 36,- DM auf das Rentenkonto der Klägerin (beide Konten bei der Beklagten geführt) übertragen worden. ... 1991 war der Versicherte verstorben.
Am 21. Januar 1991 hatte die Klägerin für P (Halb-)Waisenrente beantragt und durch den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1991 bewilligt bekommen. Ansonsten hatte die Klägerin zunächst von Sozialhilfe gelebt, später war sie kaufmännische Mitarbeiterin bei der R & Co. OHG geworden (spätestens ab Januar 1995).
Am 27. Juni 1996 hatte die Klägerin bei der Beklagten beantragt, ihr Erziehungsrente zu gewähren. Die Beklagte hatte die Voraussetzungen (Scheidung der Ehe nach dem 30. Juni 1977, Tod des geschiedenen Ehegatten, Erziehung eines eigenen Kindes, keine Wiederheirat sowie Erfüllung der eigenen allgemeinen Wartezeit bis zum Tode des geschiedenen Ehegatten) festgestellt und die Rente mit dem Bescheid vom 9. Oktober 1996 bewilligt. Die Rente hatte danach am 1. Juni 1996 begonnen. Zwar seien die Anspruchsvoraussetzungen bereits ab ... Januar 1991 erfüllt, die spätere Antragstellung hindere jedoch daran, die Rente auch rückwirkend für Zeiten vor dem Antragsmonat zu leisten. In nachfolgenden Bescheiden wurde das Einkommen der Klägerin auf die Erziehungsrente (Höhe der monatlichen Zahlung ab 1. Dezember 1996 1.249,24 DM) angerechnet.
Erst am 20. Dezember 2000 ging bei der Beklagten der zum vorliegenden Verfahren führende Antrag ein, die Erziehungsrente rückwirkend auch bereits für die Zeit ab ... Januar 1991 zu gewähren. Im Zusammenhang mit dem Tod des Versicherten habe sie sich bei der Gemeinde H nach "Unterhaltsmöglichkeiten für geschiedene Paare" erkundigt, jedoch eine für sie negative Auskunft erhalten. Im Sommer 1996 sei sie dann zufällig durch einen Zeitungsartikel auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, Erziehungsrente zu erhalten. Unter dem 4. Mai 2001 ergänzte die Klägerin ihren Vortrag dahingehend, die Sachbearbeiterin S der Rentenabteilung der Gemeinde H sei es im Februar 1991 gewesen, die die Frage nach "Unterhaltsmöglichkeiten" verneint habe.
Mit ihrem Bescheid vom 8. Juni 2001 lehnte es die Beklagte ab, die Erziehungsrente für Zeiten vor Juni 1996 zu gewähren. Die Anfrage im Jahre 1991 sei zu unbestimmt gewesen, als dass sie eine Beratungspflicht mit der möglichen Konsequenz rückwirkender Leistungsgewährung aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs habe auslösen können.
Die Klägerin widersprach und trug nunmehr u. a. vor, sich bei der Sachbearbeiterin S danach erkundigt zu haben, ob ihr nach dem Versterben des Versicherten "Rentenansprüche" zustehen könnten. Spätestens aber habe der bei der Beklagten für die Halbwaisenrente zuständige Sachbearbeiter auf die Möglichkeit hinweisen müssen, Erziehungsrente zu beantragen.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 12. September 2001 zurück. Aus dem Gespräch der Klägerin mit der Sachbearbeiterin S seien keine Rechtsansprüche abzuleiten. Es fehle an jeglichen Anhaltspunkten über den konkreten Inhalt des Telefonats.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Sie hat vor allem ihren Vortrag zu einer aus dem Waisenrentenverfahren folgenden Beratungspflicht vertieft. Die Tatsache der Kindererziehung in Verbindung mit dem Tod des geschiedenen Versicherten hätten Anlass genug sein müssen, auf die Möglichkeit eines Antrages auf Erziehungsrente hinzuweisen.
Das SG hat die Klage mit seinem Urteil vom 19. März 2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es zunächst darauf abgestellt, die im Januar 1991 telefonisch gestellte Anfrage könne lediglich als eine solche nach "Unterhaltsansprüchen" verstanden werden. Dann aber sei es durchaus zutreffend, wenn die Sachbearbeiterin eine verneinende Antwort gegeben habe. Es sei nicht überzeugend, wenn die Klägerin im Widerspruchsverfahren nachgeschoben habe, sich (auch) nach "Rentenansprüchen" erkund...