Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Anspruch eines Medizinisches Versorgungszentrums auf Aufwendungsersatz für ärztliche und nichtärztliche Leistungen bei der Direktbeschaffung von Blutgerinnungsfaktoren. allgemeine Praxiskosten. keine Erstattung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die als Bestandteil der allgemeinen Praxiskosten zu tragenden Aufwendungen für ärztliche und nichtärztliche Leistungen bei der Direktbeschaffung von Blutgerinnungsfaktoren können nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag erstattet werden.
2. Dies gilt auch, soweit dem Arzt andere Aufwendungen im Zusammenhang mit Bestellung und Lieferung von Arzneimitteln entstanden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.551,01 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend.
Die vormals unter der Firma J. GmbH geführte Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Facharzt für Transfusionsmedizin PD Dr. K. ist. Der Arzt war bis September 2022 zugleich Einzelunternehmer des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) L., das als hämostaseologische Facharztpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in M. teilnimmt. Trägerin des MVZ ist inzwischen die N. GmbH.
In den Quartalen II bis IV/2015 wurden die bei der Beklagten versicherten Marian S. und Vitalij B. (Versicherte) im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren versorgt. Dazu bestellte die Klägerin die Faktorpräparate direkt beim jeweiligen Hersteller, der die Arzneimittel entweder direkt an die Klägerin oder an Hausarztpraxen in der Nähe des Wohnorts der Versicherten lieferte. Hierfür wurden der Klägerin folgende Beträge in Rechnung gestellt:
|
Hersteller |
Datum |
Präparat |
Betrag (brutto) |
Lieferung an |
Bayer Vital GmbH |
10.06.2015 |
Kogenate |
30.345,00 Euro |
Klägerin |
Bayer Vital GmbH |
27.07.2015 |
Kogenate |
30.345,00 Euro |
Klägerin |
CSL Behring GmbH |
01.09.2015 |
Helixate NexGen |
121.380,00 Euro |
Klägerin |
Bayer Vital GmbH |
08.09.2015 |
Kogenate |
91.035,00 Euro |
Dr. O., P. |
CSL Behring GmbH |
06.11.2015 |
Helixate NexGen |
121.380,00 Euro |
Dres. Q., R. |
Bayer Vital GmbH |
18.12.2015 |
Kogenate |
91.035,00 Euro |
Dr. S., T. |
Anschließend stellte die Klägerin der Beklagten Aufwendungsersatz für die Versorgung der Versicherten mit den Faktorpräparaten in Rechnung und verwies dabei auf den Arzneimittelversorgungsvertrag zwischen den Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV). Ihre Rechnungen enthalten jeweils den sinngemäßen Hinweis, dass sich der Rechnungsbetrag aus dem „U. -Einkaufspreis“ zuzüglich eines Aufschlags iHv 3% sowie eines Betrages iHv 6,38 Euro pro Packung zusammensetzten. Im Einzelnen brachte die Klägerin folgende Beträge in Ansatz:
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Datum |
Re.-Nummer |
Versicherter |
Präparat |
Betrag (brutto) |
30.07.2015 |
15123 |
Vitalij B. |
Kogenate |
31.331,20 Euro |
05.09.2015 |
15148 |
Vitalij B. |
Kogenate |
31.321,20 Euro |
06.10.2015 |
15180 |
Marian S., Vitalij B. |
Helixate NexGen, Kogenate |
219.440,40 Euro |
08.12.2015 |
15264 |
Marian S. |
Helixate NexGen |
125.456,80 Euro |
31.12.2015 |
15263 |
Vitalij B. |
Kogenate |
93.983,60 Euro |
Die Beklagte ist der Auffassung, dass lediglich die Kosten der Präparate unter Berücksichtigung des von den Herstellern eingeräumten Skontos iHv 1,5 % erstattungsfähig seien. Dementsprechend leistete sie folgende Zahlungen:
|
Re.-Nummer |
Betrag (brutto) |
Zahlung |
Differenz |
15123 |
31.331,20 Euro |
30.345,00 Euro |
986,20 Euro |
15148 |
31.321,20 Euro |
30.031,65 Euro |
1.289,55 Euro |
15180 |
219.440,40 Euro |
209.047,55 Euro |
10.392,85 Euro |
15264 |
125.456,80 Euro |
118.932,80 Euro |
6.524,00 Euro |
15263 |
93.983,60 Euro |
90.114,75 Euro |
3.868,85 Euro |
|
23.061,45 Euro |
Nach erfolglosen Mahnungen hat die Klägerin am 9. August 2017 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben, mit der sie nunmehr Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend macht. Dazu hat sie vorgetragen, dass das MVZ L. die Versicherten im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern versorgt habe, indem es die Faktorpräparate über die Klägerin direkt beim Hersteller bezogen und an die Versicherten abgegeben habe. Sie sei vom MVZ L. als Rechenzentrum gemäß § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beauftragt worden, die diesbezügliche Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen vorzunehmen. Das MVZ L. habe die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Aufwendungsersatz an sie abgetreten. Mit ihren Rechnungen habe sie den Ersatz der entstandenen Aufwendungen in Höhe der verauslagten Kosten für die Arzneimittel sowie der „weiteren Aufwendungen, die für die Beschaffung und Abgabe angefallen sind (3 % de...