Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Krankenhausabrechnung. Herzkatheteruntersuchung. Ballon-Dilatation. Nichtvorliegen einer Kombinationsleistung iS des Sonderentgelts 21.02. Zulässigkeit der Nachberechnung von Behandlungsentgelten. Auslegung von Vergütungsregelungen
Orientierungssatz
1. Die nachträgliche Korrektur der von einem Krankenhaus ausgestellten Schlussrechnung ist zulässig. Dies gilt zumindest dann, wenn die Nachberechnung lediglich deshalb erfolgt, weil eine bis dahin umstrittene Frage des Vergütungsrechts zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt wurde.
2. Bei Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung einerseits und einer Ballon-Dilatation andererseits an unterschiedlichen Tagen ist die Abrechnung nach den Sonderentgelten 21.01 und 20.02 vorzunehmen (vgl BSG vom 21.2.2002 - B 3 KR 30/01 R = SozR 3-5565 § 15 Nr 1).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von weiteren 841,38 € für die vom 6. bis 18. Mai 2000 durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten W M.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Herr M wurde vom 6. bis 18. Mai 2000 in der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Krankenhauses des Klägers stationär behandelt. Am 11. Mai 2000 wurde eine Koronarangiographie und am Folgetag eine Ballon-Dilatation (PTCA) durchgeführt. Für das stationäre Heilverfahren stellte der Kläger der Beklagten mittels der "Endabrechnung" vom 15. Juni 2000 einen Betrag von 15.259,12 DM in Rechnung, den die Beklagte am 7. Juli 2000 zahlte.
Unter dem 23. Juli 2002 erstellte der Kläger für das o. g. Heilverfahren eine erneute "Endabrechnung", diesmal in Höhe von 8.643,24 €. Die - im vorliegenden Verfahren streitbefangene - Differenz im Rechnungsbetrag (841,39 €) beruht darauf, dass anstelle des Sonderentgelts 21.02 (Rechnung vom 15. Juni 2000) die Sonderentgelte 21.01 und 20.02 abgerechnet wurden.
Nachdem sich die Beklagte geweigert hatte, die Nachberechnung zu akzeptieren, hat der Kläger am 18. Dezember 2002 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben, die mit Beschluss vom 30. Dezember 2002 an das SG Hannover verwiesen worden ist. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Abrechnung aufgrund des Urteils des Bundessozialgericht (BSG) vom 21. Februar 2002 (B 3 KR 30/01 R, SozR 3-5565 § 15 Nr. 1) zu berichtigen gewesen sei. Denn bei einer Durchführung von Herzkatheteruntersuchung und Ballon-Dilatation an unterschiedlichen Tagen sei nicht nach dem Sonderentgelt 21.02, sondern nach den Sonderentgelten 21.01 und 20.02 abzurechnen. Der Niedersächsische Sicherstellungsvertrag (Vertrag nach § 112 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V) schließe - entgegen der Auffassung der Beklagten - eine solche Nachberechnung nicht aus. Vielmehr sehe der Vertrag z.B. in § 13 Abs. 6 eine Überprüfungsmöglichkeit für die Krankenkasse auch dann noch vor, wenn die Schlussrechnung bereits erstellt und bezahlt worden sei.
Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, dass nach § 13 Abs. 1 des Sicherstellungsvertrages Zwischen- und Schlussrechnungen zu erstellen seien. Eine Schlussrechnung könne nicht Jahre später nochmals abgeändert werden. Da die Rechnungsstellung zudem eine geschäftsähnliche Handlung darstelle, komme deren Anfechtung nur nach Maßgabe der §§ 119 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht. Ein Anfechtungsgrund (insbes. Irrtum) stehe dem Kläger jedoch nicht zur Seite.
Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass kein weiterer Zahlungsanspruch bestehe. Zwar werde eine Nachberechnung durch den Niedersächsischen Sicherstellungsvertrag nicht explizit ausgeschlossen. Nach den ergänzend anwendbaren zivilrechtlichen Regelungen bleibe jedoch die als Willenserklärung anzusehende erste Abrechnung vom 15. Juni 2000 solange verbindlich, wie sie nicht angefochten sei. Eine wirksame Anfechtung der ersten Rechnung liege bereits deshalb nicht vor, weil die Anfechtung nicht unverzüglich erklärt worden sei (§ 121 BGB). Der Kläger habe die erneute Rechnung erst mehr als 5 Monate nach der Entscheidung des BSG erstellt. Das Gebot der Rechtssicherheit verbiete es jedoch, dem potentiellen Empfänger einer Anfechtungserklärung (hier: der beklagten Krankenkasse) eine derart lange Wartezeit aufzuerlegen (Urteil vom 7. Mai 2007).
Auf die am 7. Juni 2007 vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der erkennende Senat die Berufung zugelassen (Beschluss vom 26. Februar 2008).
Der Kläger trägt vor, dass die Vergütung von stationären Heilbehandlungen durch das Vergütungsrecht nach dem SGB V, die Bundespflegesatzverordnung und die abgeschlossenen Vereinbarungen abschließend geregelt sei. Somit verbleibe für eine Willenserklärung des Krankenhauses, mit der eine bestimmte Vergütung festgesetzt werde, überhaupt kein Raum. Bei der Rechnungsstellung handele es sich es sich vielmehr um einen Realakt, auf den die Vorschriften zur Anfechtung weder direkt noch ...