Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Einstiegsgeldanspruch. Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung. Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einstiegsgeld kann Hilfebedürftigen gewährt werden, die bei Aufnahme der Tätigkeit arbeitslos sind. Wer am Tage der Antragstellung eine selbständige Tätigkeit bereits aufgenommen hat - die Aufnahme der Tätigkeit entspricht regelmäßig dem Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung - erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr.

2. Einstiegsgeld wird "zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit" gewährt. Insoweit ist eine Prognose erforderlich. Bei der Einschätzung muss sich ergeben, dass die Zahlung des Einstiegsgeldes irgendwann dazu führen wird, dass der Leistungsempfänger den Status der Hilfebedürftigkeit verlassen kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 30. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Ablehnung der Gewährung von Einstiegsgeld.

Der 1971 geborene Kläger bezog - in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau sowie seinen 1996, 1998 und 2004 geborenen Töchtern - seit 01. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Jahr 2006 wurde ein weiteres Kind, und zwar ein Sohn geboren. Mit Bescheid vom 2. März 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 einen monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.602,13 €; wegen der Aufteilung und Errechnung im Einzelnen wird auf den dem Bescheid beiliegenden Berechnungsbogen verwiesen. Mit Änderungsbescheid vom 23. Mai 2007 wurden die Leistungen ab dem 1. Juli 2007 an die zu diesem Zeitpunkt erhöhte Regelleistung (1.608,13 EURO) angepasst.

Am 4. Mai 2007 beantragte der Kläger, zunächst mündlich im Rahmen einer Vorsprache, die Gewährung von Einstiegsgeld. Er legte in der Folgezeit hierzu Unterlagen vor. In einem mit "Konzept und Geschäftsidee" überschriebenen Schriftstück vom 30. Mai 2007 teilte er mit, seit dem 1. Mai 2007 laufe - in Hamburg-Harburg - eine Kfz-Selbsthilfewerkstatt, zugleich mit An- und Verkauf von Automobilen, auf seinen Namen. Die Erfahrung des Vorbesitzers, der sein Geschäft 23 Jahre erfolgreich geführt habe, garantiere den Erfolg. Den Kundenstamm könne er übernehmen, auch übe er nur Tätigkeiten aus, für die eine Ausbildung nicht erforderlich sei. Fachliche Kenntnisse für kleinere Reparaturen sowie Autopflege und -kosmetik habe er sich selbst angeeignet. Die Gewerbeanmeldung trägt das Datum des 30. April 2007 und weist als Beginn der angemeldeten Tätigkeit den 1. Mai 2007 aus. Aus dem Lebenslauf des Klägers ist ersichtlich, dass er in der J. zunächst als Bauer gearbeitet hatte, dann nach der Übersiedlung nach K. im Jahre 1996 bis 2001 sowie dann wieder ab 2003 arbeitslos war, zwischendurch hatte er zwischen 2001 und 2003 in einem Museum gearbeitet. Der Kläger fügte ferner eine Unternehmensplanung für die Jahre 2007 bis 2010, erstellt durch den Diplom-Kaufmann und Steuerberater L., bei. Dieser erwartete prognostisch ein Betriebsergebnis für die restlichen Monate des Jahres 2007 in Höhe von insgesamt 1.784,00 € sowie für die Folgejahre ein Ergebnis in Höhe von jährlich bis zu 5.224,00 €. In seiner Stellungnahme vom 6. Juni 2007 bejahte er die Realisierbarkeit des Aufbaus einer tragfähigen Existenzgründung mit dem genannten Vorhaben.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung von Einstiegsgeld gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und § 29 SGB II mit der tragenden Begründung fehlender fachlicher Eignung und Berufserfahrung seitens des Klägers ab und meinte, außerdem sei die geplante Tätigkeit nach den mitgeteilten Unterlagen nicht tragfähig. Der Kläger legte Widerspruch ein und verwies darauf, er verfüge durchaus über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten, zudem dürften im konkreten Tätigkeitsbereich keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden. Der Erfolg eines Autohändlers werde neben weiteren Faktoren stark von Verhandlungsgeschick und Beziehungen geprägt. Im Rahmen des Betriebs der Autoselbsthilfewerkstatt erziele er seine wesentlichen Einnahmen durch Vermietung von Hebebühnen und Arbeitsgruben, selbst führe er keine Arbeiten durch, die man im engeren Sinne als Autoreparaturen einordnen könne. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit folge aus dem Vorhandensein eines festen Kundenstammes des bereits zuvor als Selbsthilfewerkstatt genutzten Betriebsgeländes, weiter sei es im Geschäftsleben durchaus nicht ungewöhnlich, wenn in der Anfangsphase einer unternehmerischen Betätigung keine hohen Gewinne erzielt würden. Ergänzend übersandte der Kläger auf Anforderung des Beklagten seine Gewinn- und Verlustrechnungen für die Monate Mai bis Juli 2007, die im Juli 2007 einen Gewinn in Höhe von 570,63 €, i...

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